lichstem Gegensatz zu den unwahren und verschrobenen Salongemälden der Ida Hahn, welcher in Fanny Lewald bald die gefährlichste Feindin erstand. Denn letzterer schreibt die allgemeine Stimme jenes satirische Schriftchen .Diogena* (1847) zu. welches die romanschreibende Gräfin schwerer traf als alle Angriffe der Kritik und die eigentliche Veranlassung zu ihren bald darauf erfolgenden literarischen Rüdezug geworden zu sein scheint; und wenn diese Autorenschaft auch von Fanny Lewald selbst niemals öffentlich anerkannt worden ist, so sprechen doch vielfache innere Gründe dafür, daß es sich wirklich so verhält. — Das folgende Jahr 1848 mit seinen jäh wechselnden und überraschend neuen Erscheinungen gab ihr später Stoff zu zwei Bänden .Erinnerungen*, die nicht so, wie es ihnen gebührt hätte, bekannt geworden sind. Auf dem Gebiete des Romans aber wagte sie 1849 mit ihrem .Prinz Louis Ferdinand* dem Stoffe nach einen sehr glücklichen Griff, wenn sie auch in der Behandlung sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen zeigte. Das Heroische geht der Erscheinung ihres Helden ganz ab, und wir sehen denselben nur als Held vieler, bald ermüdenden, zum Teil langwierigen, zum Teil sehr frivolen Liebesabenteuer. Allerliebste Sächelchen und Genremalereien enthalten folgende Werke: ,Auf roter Erde* (Novelle) und .Dünen- und Berggeschichten* (2 Bde., 1850 und 51). Der Roman .Liebesbriefe. Aus dem Leben eines Gefangenen* ging fast spurlos vorüber, wogegen die 4 Bände füllenden .Wandelungen* (1853) wieder größeres Aufsehen machten. Die Dichterin nahm darin einen sehr bedeutenden Anlauf und steckte sich kein geringeres Ziel, als ein vollständiges Gemälde der deutschen, insbesondere der preußischen Entwicklung in Politik, Religion .Gesellschaft innerhalb der letzten 30 Jahre, von der Mitte der zwanziger bis zur Revolution zu geben. Vieles in dem Roman, namentlich verschiedene Raisonnements der Verfasserin, sowie die Zeichnung mannigfacher Stimmungen und .Wandelungen* des Herzenslebens sind darin vorzüglich gelungen und gefallen durch Neuheit, Kraft und Anmut. Im ganzen erschien aber diese absolute Tendenzpoesie, die vor dem März mehr ä propos gekommen wäre als nach dem März, doch schon etwas außer der Zeit, und es war daher nur Verständnis des herrschenden Geschmacks, wenn Fanny Lewald in den letzten Jahren kleinere Schilderungen aus den niederen Lebenskreisen unter dem Titel .Deutsches Leben* begann. ,Es ist*, wie Robert Prutz richtig geurteilt hat, ,als ob an dieser liebevollen Betrachtung der Wirklichkeit, diesem echt weiblichen Eingehen auf das Kleine und Unscheinbare ihr eigenes* — und wir setzen dazu: mit der Zeit, wie es schien, etwas erkältetes — ,Herz sich wieder erwärmt hätte, während zugleich ihre Phantasie — der sie, vor allem für ihren Verstand und Geist sorgend, auf die Länge doch gar zu wenig Nahrung zuführte — ein Fülle dankbarer und fesselnder Stoffe gewann.* Auch die einzeln erschienenen .Adele* und ,Die Kammerjungfer* (1855), ferner ,Das Mädchen von Heia* (1859) usw. sind hier mit großer Anerkennung zu erwähnen, wogegen ihr neuster zweibändiger Roman aus der höheren, exklusiven Gesellschaft ,Die Reisegefährten* (1858) wieder nur ein ziemlich schwächliches Produkt ist und hinter den ,Wandelungen* zurückbleibt. Von ihrer Lebensgeschichte erschienen bis
Heft
(1980) 31
Seite
624
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