Heft 
(1980) 31
Seite
625
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jetzt 4 Bände, die viel des Interessanten enthalten. Speziell sei noch erwähnt, daß in stilistischer Beziehung Fanny Lewald gegenwärtig wohl keine Rivalin zu scheuen hat. Ihre Sprache ist stets bestimmt und einfach, klar und wohltuend, und sie übertrifft in dieser Hinsicht alle ihre Genossinen. (22)®

F.rst in den achtziger Jahren ist Fontane gelegentlich wieder mit der Lewald zusammengetroffen. Fricke notiert in der Chronik, daß Fontane am 27. Februar 1880 bei der Lewald zu Gast und am 29. Februar 1884 während eines Diners bei dem Zeitungsverleger Lessing ihr Tischnachbar war- 0 . Doch haben sich engere, ständige Beziehungen nicht mehr entwickelt, obwohl auch die Lewald in Berlin lebte. Ein Lewald-Abend in Berlin, an dem Fontae nicht teilnehmen konnte, da er sich in Thale aufhielt, gab Anlaß zu der Bemerkung:Über den Fanny-Lewald-Abend bin ich neu­gierig zu hören; ich kann sie ganz gut leiden, aber sie zählt zu den lang­weiligsten Menschen, die ich kennengelernt habe. So heißt es in dem Brief an seine Frau vom 18. Juni 1884 40 , und dieLangweiligkeit der Lewald hat Fontane dann in seinem Brief an Heinrich Kruse vom 9. März 1887 eingehend beschrieben:Fanny Lewalds Roman habe ich noch nicht gelesen. Ich stimme Ihnen zu, ihre Geistesfrische ist erstaunlich, und als Schriftstellerin kann sie sich sehen lassen, ich habe aber menschlich nie mit ihr auf einen erträglichen Fuß kommen können, weil ich sie so über alle Beschreibung langweilig finde. Wenn sie langweilig wäre aus glück­licher Naturanlage, so hätte ich nichts dagegen, jeder nach seinen Kräften, sie ist aber langweilig aus Prinzip, und wie alles an ihr doktrinär ist, so hat sie sich auch eine Gesellschafts- und Konversationsdoktrin zurecht­geschneidert, nach der sie nun spricht. Immer wenn man denkt, ,nun kommt es, dann schnappt es ab; sie ist mir mindestens 3 Dutzend zweite Satzhälften schuldig, und ihre Konversation erinnert mich an die Jahre, wo meine Schwester mir einen Bonbon hinhielt und, wenn ich zufassen wollte, ihn selber in den Mund steckte und ,ätsch* sagte. Fanny Lewald beginnt ihren Satz mit einem Weltenrätsel, das sie zu lösen beflissen ist, und schließt damit: ,wenns regnet, ist es naß*. Aber auch das spricht sie nicht deutlich aus und läßt es zweifelhaft. 41

Es zeigt sich also auch jetzt wieder, daß Fontane und die Lewald, von allen sonstigen Streitpunkten abgesehen, miteinander nicht vertraut zu werden vermochten, wobei nun die Verschiedenheit, ja, Gegensätzlichkeit ihrer Charaktere und Naturen in den Vordergrund traten. Dennoch hat Fontane zuletzt, bei aller Kritik an der Lewald, sei es an dem Menschen, sei es an dem Werk, dankbar anerkannt, daß die Bekanntschaft mit Fanny Lewald für ihn keineswegs ohne Gewinn blieb. Etwa drei Monate vor Fanny Lewalds Tod erinnerte er sich in einem Brief an den Maler Wilhelm Gentz vom 10. Mai 1889, als von flgurenreichen Bildern die Rede war, an Fanny Lewald:Wobei mir immer einfällt, was die gute Fann; Lewald zu mir sagte: .Wenn es sein kann, laß ich immer nur zwei Men­schen sprechen, auch drei, auch vier; aber darüber hinaus gehe ich nur im äußersten Notfall.* Das hat damals einen großen Eindruck auf mich gemacht. Solche Bemerkungen aus der Metiererfahrung heraus sind immer