nachweisbar sein könne, auch wenn sich Hofmannsthal nicht ausdrücklich auf F. berufen habe, wie etwa auf Wedekind (vgl. S. 204, dazu S. 25 — Anm. 3). Alle Nachweise sind innerliterarischer Art: einzelne Werke beider Dichter, poetologische Äußerungen, Techniken des Schreibens, bestimmte Motive und Werklinien werden aufeinander bezogen. Dabei gelingen sehr schöne, anregende Entdeckungen, auch wenn der Wunsch, II. als „sehr aufmerksamen“ Leser (204) von F. nachzuweisen, sich gelegentlich verselbständigt. Die verschiedenen Vergleichsgegenstände sind unterschiedlich beweiskräftig ausgeführt (zw. 4 und 65 S. lang). Die Arbeit besitzt ein genau gearbeitetes Abkürzungs-, Personen- u. Sachregister.
(1) In einer ersten Kapitelfolge zum Stand „einer gesellschaftlichen Sprache“ in Deutschland (S. 11—55) wird der ehrgeizige Versuch unternommen, F. und H. als „Finder“ (S. 22) dieser geselligen und gesellschaftsbezogenen Literatursprache darzustellen. Eindrucksvoll gelingt der Nachweis, daß beide Autoren den Zustand der Sprache als Zeichensystem umfassender sozialer Kommunikation bedauert haben und gleichwohl bemüht waren, zur Veränderung dieses Zustandes beizutragen (S. 31). Daß H. darin „tatsächlich in ihm (Fontane, O. K.) einen Vorgänger und Verwandten gesehen hat, zu dem er in ein sogar sehr enges Verhältnis trat“ (S. 27), will Verf. vor allem durch direkten Werkvergleich (im 2. Teil) aufhellen. Bei dem Versuch, das Wesen einer solchen geselligen oder „mittleren“ Sprache der Poesie zu definieren, wird weder semiotisch noch mit neueren Methoden der Linguostilislik gearbeitet, so daß es bei einer Darstellung der (sehr anregenden) Absichtserklärungen der Dichter bleibt. 1 Die damalige Wirkung der anschaulich entwickelten Absichten wird mit einer zeitgenössischen Rezension belegt (1921; vgl. S. 30). Schließlich wird die Kunst des Dialogs bei beiden Autoren, die ein enges Verhältnis zur französischen Sprache hatten, hervorgehoben und als „Medium zur Schöpfung einer geselligen, .mittleren* Sprache“ angesehen (S. 31). In den „Sprechweisen“ ihrer Figuren sieht Verf. den Drang nach „Lebensnähe“ (33). Leider aber seien gerade diese Verdienste bis in die Gegenwart nicht verständnisvoll genug gewürdigt worden, F. habe darin das gleiche „Mißgeschick“ (36) wie H. getroffen. Kritiker von Thomas Mann bis Müller-Seidel hätten zu einseitig behauptet, alle Figuren Fontanes „redeten die gleiche Fontanesdie Sprache“ (36). Verf. sucht dem zu begegnen, indem sie Äußerungen F.s zitiert, aus denen hervorgeht, daß dieser selbst großen Wert auf die Figurensprache gelegt habe. Man sieht, hier fehlt echte Objektivierung, hier fehlt funktionelle Betrachtung.
Die historischen Aspekte des Problems werden mit Petersen (1929), mit M. E. Gilbert (1930) und Böckmann (1959) erörtert. Sie führen Verf. zu folgender Schlußfolgerung: „Angezogen durch die Sprachkunst Fontanes, eine in Deutschland unbekannte Form menschlich-geselliger Rede, entdeckte Hofmannsthal dann auch in Fontanes Roman die tiefgründige Behandlung menschlicher Probleme und Schicksale. Ihr schenkte Hofmannsthal Beachtung, wenn er nach und nach auf Themen kam, die schon ähnlich in Fontneschen Romanen gestaltet waren.“ (S. 54)
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