Heft 
(1982) 34
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sich zu vollem Siege durchgearbeitet, alles was ihm Stägemann vor 40 Jah­ren gesagt in die Seele gepflanzt hatte, das erfüllte sich; er hatte dazu mitgewirkt, er hatte nicht umsonst gelebt.

Es war ihm vergönnt diesen Traum eine gute Weile zu träumen, bis eines Tages Falk fiel. Bismarck hatte die Worte gesprochen:Exzellenz, wir warten schon lange darauf. Er hatte Falk mit dem Makel eines Klebers behaftet. Schulze war von dem allem schmerzlicher betroffen als Falk selber (der wohl eigentlich froh war) und gedachte zu demissionieren. Aber sein Freund Victor Hehnchen, den er am selben Abende bei Huth traf sagte ihm:demissionieren? wozu? Glauben Sie mir, Bismarck hat immer recht. Wenn Bismarck morgen den Morgenkaffee abschaffen und die Brot­suppe der Altvordern 5 6 wieder einführen wollte so würde ich gehorchen, trotzdem mir nichts über Mokka geht. Erwägen Sie dies. Wir sind gleich­altrig, aber ich möchte doch sagen dürfen: man kann sich vieles zurecht­legen. Alle Dinge haben ihre 2 Seiten und wenn man die einem zugekehrte liebevoll ansieht, findet man daß es die richtige Seite ist. Schulze bestritt das. Aber am dritten Tag war es ihm klar, daß diepreußische Idee in der Parität beruhe. Was ist Parität? Parität ist Gerechtigkeit und schließlich auch Aufklärung, weil sie nur der letzte Ausdruck dafür istin meinem Lande kann jeder nach seiner Fagon selig werden. Es ist eine Frage die die Steuerzahlung ganz unberührt läßt. Gerechtigkeit ist fundamentum imperii und eigentlich auch ultima ratio. Und wie wir die Sache auch ansehn in der Parität ruht im letzten diepreußische Idee. [,,'j Freiheit ist gut, Gerechtigkeit ist besser. Und es brechen nun glückliche Tage für Schulze an, die sich in einer gewissen Ruhe des Gewissens aussprechen. Es kam die Epoche seines Lebens wo er weich wurde. Die Starrheit des Prinzips war durchbrochen und doch war er dem Prinzip treu geblieben. Er vertrat jetzt das alte Prinzip in einer verklärteren Gestalt. Die preu­ßische Idee war der® Einseitigkeit an der sie leise gekrankt hatte, entkleidet. Dieser Zustand dauerte noch volle zehn Jahre bis man Kaiser Wilhelm hinaustrug. Aber schon ehe dieser Zeitpunkt kam war er aus dem Amte zurückgetreten, nachdem er noch seinen 70. Geburtstag im Amte gefeiert hatte. Der beste Redner hatte hervorgehoben, daß ihm kein Beispiel be­kannt sei, daß jemand die preußische Idee durch fast ein halbes Jahrhun­dert hin in gleicher Reinheit aufrecht erhalten habe. Worauf Schulze dankte, jedes Verdienst von sich wies, aber sich glücklich pries, daß es überhaupt eine preußische Idee gebe und daß er sich glücklich schätze an ihrer Verwirklichung, das dürfe er wohl sagen, konsequent gearbeitet zu haben.

Im selben Jahr noch reiste Schulze, nun freier Mann, nach Italien, um den Dante-Stätten nachzugehn und über Dantes Aufenthalt in Ravenna ein Buch zu schreiben. (Dies weiter ausführen. Rom, ghibellinische Idee. Grab­mal Theoderichs. San Vitale. Lord Byron.)

Nach Berlin im Spätherbst fast schon Weihnachten zurückgekehrt, umbaute er sich mit einer Dante-Bibliothek und kam nur noch heraus, um nach-

5 Darüber: schwarze Suppe der Spartaner

6 Darüber: einer gewissen

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