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Und nun sieht man sich: ,also so; nu ganz nett, beinah besser, als ich dachte.“ 1 Auch Schlenthers Kritik der ..Poggenpuhls“ (um nur diese noch zu nennen) quittierte Fontane mit ähnlichem Vergnügen; er schrieb am 8. November 1896: „Ich habe von dem allen immer einen doppelten Genuß: die freundliche Gesinnung, das Lob an sich und dann das Treffen, das jedesmalige Finden dessen, worauf es einem ankam. Und ich möchte beinah sagen, dies beglückt einen am meisten.“
Außer den persönlichen Sympathien, die man einander entgegenbrachte, verband auch die weitgehende Gemeinsamkeit in der Beurteilung moderner Kunstentwicklung. Schlenther hatte Fontane im Januar 1887 das Billet für die erste Berliner Aufführung von Ibsens „Gespenstern“ im Residenztheater besorgt, und beide schrieben darüber. Fontane bemerkte im vorhinein: „Von einem Widerstreit der Meinungen kann dabei gar keine Rede sein. Ich bin selbst so sehr die helle Bewunderung, daß ich mit meiner Altherrnweisheit weder Ihnen noch Ibsen sonderlich ins Gehege kommen würde.“ Brahm und Schlenther brachen mit der Gründung des Vereins „Freie Bühne“ der naturalistischen Dramatik die Bahn, für die sich auch Fontane in der letzten Zeit seiner Theaterberichterstattung für die „Vos- sische Zeitung“ lebhaft engagierte.
Schlenther war 1886 auf Vorschlag Fontanes zusätzlich als Theaterreferent bei diesem einflußreichen Blatt angestellt worden, wo er bald Leiter der berühmten Sonntagsbeilage wurde (allerdings den Vorabdruck von „Stine“ gegen den Willen der Zeitungsinhaber nicht durchsetzen konnte). Nicht zuletzt in der Nachfolge Fontanes im Theaterreferat avancierte Schlenther zu einem der angesehensten Kritiker im Berlin der neunziger Jahre. Fontane erwies ihm öffentlich seine Reverenz, als er im siebenten Kapitel der „Poggenpuhls“ — auf Schlenthers Verlobung mit Paula Conrad (1890) hinweisend — eine Romanfigur sagen ließ: „Der Verlobte ... soll ein sehr scharfer Kritiker sein. Ich denke mir es schwer, einen Kritiker immer zur Seite zu haben. Es bedrückt und lähmt den höheren Flug.“ Die Antwort im Dialog gerät zur charmanten Verbeugung gegen die „kleine Conrad“: „Nicht immer. Wer fliegen kann, fliegt doch.“
Fontane schätzte den geselligen Umgang mit dem Ehepaar, und er fand es stets „klug und liebenswürdig wie immer“ (an Friedlaender, 26. September 1892). Offenbar war es auch Schlenther, der Fontane 1895 zur Unterzeichnung der Petition gegen die berüchtigte Umsturzvorlage bewegte. Daß Schlenther auch in literarische Pläne des Dichters eingeweiht war, läßt sich Fontanes Brief vom 22. Juli 1895 entnehmen. Schlenther wußte, daß Fontane an einem Buch über die „Likedeeler“ arbeitete, und schickte zeitweise täglich ein Heft eines alten Störtebeker-Romans, den er während einer Urlaubsreise in Hamburg antiquarisch gekauft hatte, anonym an Fontane nach Berlin.
Als der Dichter hörte, daß Schlenther nach Wien berufen worden sei, glaubte er nicht recht an die Meldung und schrieb am 5. Januar 1898 an Friedlaender: „Er hat ja hier eine beneidenswerte Stellung; die vielen Feinde, deren er auch hier in Berlin genugsam hat, schaden ihm nichts, da alle anständigen Leute (auch die, die seine Ansichten nicht teilen) auf
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