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seiner Seite stehn. Er ist als Mensch geachtet. Die Berliner Presse hat ihn zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Sein Einfluß ist groß; jeder umwirbt ihn. Dazu hat das Paar hier eine Gesamteinnahme, die nicht viel unter 30 000 Mark sein wird.“ Schlenther ging indes 1898 tatsächlich nach Wien, wo er die Leitung des Burgtheaters übernahm. Als Fontane im gleichen Jahr starb, reagierte Schlenther mit einem warmherzigen Nachruf in der „Neuen Freien Presse“ und begann als Mitglied der Nachlaß-Kommission eine ausgedehnte Tätigkeit. Der vielbeschäftigte Burgtheater-Direktor erledigte die anfallenden gutachterlichen, editorischen und publizistischen Arbeiten mit Liebe, Sachkenntnis und Promptheit. Es sei, als Beispiel, nur an das einprägsame Porträt erinnert, daß er rückschauend von seinem Kollegen auf dem Parkettplatz 23 entwarf; „Mit rührender Pünktlichkeit erschien er zur Anfangsstunde im Schauspielhaus und harrte durch bis ans Ende. Wenn er sich auf der äußersten Rechten des Parketts dicht unter der Intendantenloge auf seinen angestammten Eckplatz niedergelassen hatte, sah man ihn mit hochgezogenen Brauen dasitzen, den Oberkörper vorgebeugt, das schöne Dichterhaupt in den Nacken geworfen, den sorgenvollen Blick gespannt, in leibhaftiger Fragestellung. Im ganzen Publikum gab es keinen aufmerksameren Lauscher, keinen scharfsichtigeren Betrachter. Wie alles in Kunst und Leben Eindruck auf ihn machte, so nahm er auch von diesen notgedrungenen Theaterbesuchen stets etwas Besonderes mit sich, freilich auch Bedenken, Zweifel, Qual.“
Die ausgedehnte Korrespondenz mit dem Verleger Friedrich Fontane um die von ihm besorgte erste Auswahl der Theaterkritiken („Kritische Cau- serien über Theater“, 1905) und die von ihm und Pniower besorgte Ausgabe der „Briefe an die Freunde. Zweite Sammlung“ (1910) belegen das Ausmaß seiner Bemühungen, die er schließlich mit der Einleitung krönte, die der S. Fischer-Verlag 1915 einer neuen Ausgabe der Fontane-Werke voranstellte.
Die meisten jener Briefe sowie Teile der weitverzweigten Korrespondenz anderer Fontane-Familienangehöriger mit Paul und Paula Schlenther bewahrte letztere nach dem Tode ihres Mannes im Jahre 1916 sorgfältig auf. Später verknüpfte sich die Geschichte des Nachlasses mit der Kunsthandwerkerin Edith Philippi, die Paula Schlenther-Conrad in alten Tagen eine hilfreiche Freundin wurde. Edith Philippi starb am 27. November 1980 dreiundachtzig jährig in Weimar. In ihrem Nachlaß fand Frau Ursula Söllner, die von den Erben Edith Philippis mit der Ordnung des kunsthandwerklichen und schriftlichen Nachlasses beauftragt worden war, ein Paket mit Briefen der Familie Fontane an Paula Schlenther-Conrad und Paul Schlenther, Fotografien von Paul und Paula Schlenther, Briefe an das Ehepaar und andere Familienpapiere. Frau Söllner veranlaßte dankenswerterweise die Übergabe der Briefe und Dokumente an das Theodor- Fontane-Archiv der Deutschen Staatsbibliothek in Potsdam.
Edith Philippi hatte Paula Schlenther-Conrad nach ihrer Übersiedlung nach Berlin (1924) kennengelernt — sie wohnten beide im gleichen Haus, Hohenzollemdamm 4 — und sich ihrer angenommen, als sie krank wurde und in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Dank der Hilfe von Käthe Dorsch,
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