Heft 
(1982) 34
Seite
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Emilie Fontane an Paula Schlenther-Conrad

Liebste.

Berlin, 29. November [1899]

Es erscheint mir einsam hier, nun Sie fort sind 20 . Sie kamen doch, wenn Sie hörten, es ginge mir nicht gut. Jetzt, mit Schwindel u. Hexenschuß, bin ich recht vereinsamt, u. Ihr liebes Bild vor mir blicke ich mit Tränen an. Ach, die 75 21 , ohne ihn, haben mich ganz alt gemacht, u. alle Liebe u. Freundschaft, die mir erzeigt wurde, empfing ich in seinem Gedächtnis. Ihm habe ich immer u. noch alles verdankt; Sie glauben nicht, wie schwer mir mein geistiges Alleinsein fällt! er war mein Lexikon in jeder Beziehung, u. nun bin ich verdummt u. weiß im Kleinsten nicht aus noch ein. Das aber wollte ich Ihnen nicht wiederholen. Sie wissen es ja, danken wollte ich Ihnen, daß Sie in allem Abreise- u. Abschiedstrubel noch meiner gedacht haben! ich erquicke mich an Ihrer Goldquelle! Hoffentlich geht es Ihnen gut u. sind Sie mit dem hiesigen Abschluß zufrieden; ich freue mich, daß Sie dadurch in gewissem Sinne Ihrer Kunst erhalten bleiben 22 .

Eben verläßt mich Prof. Dr. Salomon 23 , u. daran möchte ich eine praktische Frage knüpfen. Gibt man ihm als quasi Hausarzt 35 Mk. für jeden Besuch u. rundet am Jahresschluß die Summe ptb"!

Martha geht es körperlich so novemberlich wie mir; Migräne, dicke Backe, nervöse Pleite wechseln bei ihr ab, u. der ältere Mann 21 ist der frische u. nicht zu beneidende. Kein Glück vollkommen oder gar dauernd.

Mit ungezählten Grüßen für Sie beide

Ihre mütterliche Freundin Fr[au] Th. Fontane

Martha Fritsch-Fontane an Paul Schlenther

Hochverehrter Freund.

Berlin, 2. März 1902

Leider ist es mir bisher kaum möglich gewesen, mich an den Arbeiten zur Veranstaltung der neuen Gesamtausgabe 25 der Werke meines Vaters zu beteiligen. Mich hinderten mein schlechter Gesundheitszustand, noch mehr die Rücksicht auf Mama, die durch ein nicht von mir verschuldetes Miß­verständnis zu der Annahme verleitet worden war, daß ich jene Ausgabe absichtlich hintertreiben und verzögern wolle, und deren Empfindlichkeit ich durch jede selbständige Äußerung von mir zu reizen fürchten mußte; selbst noch als der Zwiespalt einigermaßen ausgeglichen war, was keine Kleinigkeit war.

Nach ihrem, trotz ihrer hohen Jahre noch viel zu frühen, Hinscheiden 20 ist es für mich Sache der Pflicht gegen Vater und Mutter, den Lieblingswunsch der letzteren zu erfüllen. Ich verspreche Ihnen, besonderen Eifer zu ent­wickeln, was midi nicht hindern wird, auch an dem festzuhalten, was ich als Willensabsicht meines Vaters kenne.

Wie weit die Vorbereitungen für die Gesamtausgabe gediehen sind, darüber habe ich nichts erfahren. Wie gern hätte ich, wenn auch nur einmal, mit Ihnen über alle bezgl. Fragen gesprochen, aber da Waren keine Premieren

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