insofern das Bedürfniß der Einwohner eines Ortes sie erheischen sollte.
Potsdam, den 14. Juli 1820
August
Medicinal S. Apotheker
Dem Leser der Apothekenakte und besonders der beiden Briefe von L. H. Fontane erschließen sich mehrere psychologisch ungemein interessante Aspekte.
Zunächst fällt auf, daß Louis Henri Fontane in dem Schriftwechsel, die 2. Apotheke Neuruppins betreffend (auch z. B. bei der Vereidigung) mit Ludwig Heinrich Fontane unterschreibt, also mit der deutschen Übersetzung seiner französischen Vornamen. Das ist zumindest ungewöhnlich und bei den Mitgliedern der „französischen Kolonie“ bei ihrem Stolz auf das Französische ihrer Herkunft nicht üblich.
Hans-Heinrich Reuter schreibt in der Reclam-Reihe „Biographien“ 2 in jener über Theodor Fontane folgende, das vorher zitierte unterstreichende Sätze: „Sowohl väterlicher- wie mütterlicherseits entstammte Fontane der Kolonie. ... Dem märkisch-preußischen Element der Zufallsheimat Neuruppin begegnete das französisch-preußische Element der Wahlheimat Berlin. Denn Preußen waren und wollten die geflüchteten Franzosen sein: aus Dankbarkeit einmal, im Wissen um die Sonderstellung zum anderen (.Kolonie' als Privileg und genaues Gegenteil eines Ghettos), die ihnen dieses Preußen aus guten Gründen lange Zeit eingeräumt hatte. ... Sowohl in Fontanes Vater als auch in seiner Mutter hatte sich das Koloniebewußtsein wach erhalten — beim Vater gepaart mit einer fast monomanischen Vorliebe für Frankreich (das er nie gesehen hatte). Und als Preußen fühlten sich auch sie beide: als Berliner, nicht als Märker ..."
Vermutlich versprach sich L. H. Fontane eine günstigere Entscheidung der Königlich-Preußischen Regierung in Potsdam, wenn er die deutsche Übersetzung seiner Namen wählte. Man muß bedenken, daß 1820, kurz nach den Befreiungskriegen, die patriotische, das Deutsche in der Auseinandersetzung mit Napoleon akzentuierende Denkweise vorherrschte.
Ein zweiter, noch interessanterer psychologischer Aspekt wird deutlich, wenn man von den großartigen Plänen des Apothekers Fontane liest, die erste, wesentlich ältere, 1571 privilegierte Apotheke zusätzlich zu erwerben und beide Officinen „in einem Locale“ zu vereinen. 2
Diese kühnen Pläne entbehrten offensichtlich der finanziellen Grundlage, denn bereits am 6. Juli 1826 (auf den Tag genau nach 6 Jahren) mußte L. H. Fontane die Apotheke schuldenhalber an den Apotheker August Wittke aus Zehdenick verkaufen.
Daß er überhaupt so kurz nach dem Erwerb der Löwenapotheke diesen Gedanken faßte und auch gleich der Königlich-Preußischen Regierung unterbreitete, unterstreicht den von Theodor Fontane an seinem Vater beschriebenen Hang zur Großartigkeit, zum Überschätzen seiner selbst.
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