Die Sätze: „da der redliche Mann nun aber ohne dieses die Pflichten gegen seine Mitmenschen, gegen seine Familie und sojar gegen sich selbst nicht nach seinem Wunsche und seinen Gefühlen erfüllen kann, so muß er um so eher jede vorkommende Gelegenheit wahrnehmen wodurch er oben genannte Verhältniße zu verbeßern glaubt;“ und: „Die Einwohner Ruppins würden dadurch nichts verlieren, da ich meinen Stolz und meine Freude in der pünktlichen Erfüllung meiner Berufspflichten finde“ unterstreichen diese Einschätzung.
Theodor Fontane formulierte ja bekanntlich in dem autobiographischen Roman „Meine Kinderjahre“ im zweiten Kapitel die Eigenschaften des Vaters so: „Ostern 1819 hatte mein Vater die Neu-Ruppiner Löwen-Apotheke in seinen Besitz gebracht. Ostern 1826, nachdem noch drei von meinen vier Geschwistern an eben dieser Stelle geboren waren, gab er diesen Besitz wieder auf. Dieser frühe Wiederverkauf des erst wenige Jahre zuvor unter den günstigsten Bedingungen, man konnte sagen ,für ein Butterbrot 1 , erstandenen Geschäfts wurde später, wenn das Gespräch darauf kam, immer als verhängnisvoll für meinen Vater und die ganze Familie bezeichnet. Aber mit Unrecht. Das .Verhängnisvolle“, das sich viele Jahre danach — glücklicherweise auch da noch in erträglicher Form, denn mein Papa war eigentlich ein Glückskind — einstellte, lag nicht in dem Einzelakte dieses Verkaufs, sondern in dem Charakter meines Vaters, der immer mehr ausgab, als er einnahm, und von dieser Gewohnheit, auch wenn er in Rup- pin geblieben wäre, nicht abgelassen haben würde. Das hat er mir, als er alt und ich nicht mehr jung war, mit der ihm eigenen Offenheit viele, viele Male zugestanden. ,Ich war noch ein halber Junge, als ich mich verheiratete“, so hieß es dann wohl, ,und aus meiner zu frühen Selbständigkeit erklärt sich alles“.
Ob er darin recht hatte, mag dahingestellt sein. Er war überhaupt eine ganz ungeschäftliche Natur, nahm ihm vorschwebende Glücksfälle für Tatsachen und überließ sich, ohne seiner auch in besten Zeiten doch immer nur bescheidenen Mittel zu gedenken, der Pflege .nobler Passionen“. Er begann mit Pferd und Wagen, ging aber bald zur Spielpassion über und verspielte, während der sieben Jahre von 1819 bis 26, ein kleines Vermögen“. 4
Im fünften Kapitel fährt Fontane fort: „...eingebettet in die Seegraskissen, hielt mein Vater, der zu seinen vielen Prachteigenschaften auch die eines immer tüchtigen Schläfers hatte, seine Nachmittagsruhe, bei der er die Zeit nie ängstlich maß und sich oft erst erhob, wenn die Dunkelstunde schon da war. ... Wenn ich dann an das Sofa herantrat und seine Hand streichelte, sah ich, daß er geweint hatte. Dann wußte ich, daß wieder eine .große Szene“ gewesen war, immer infolge von phantastischen Rechnereien und geschäftlichen Unglaublichkeiten, um derentwillen man ihm doch nie böse sein konnte. Denn er wußte das alles und gab seine Schwächen mit dem ihm eignen Freimut zu. Wenigstens später, wenn wir über alte Zeiten mit ihm redeten. Aber damals war das anders, und ich armes Kind stand, an der Tischdecke zupfend, verlegen neben ihm und sah, tief erschüttert, auf den großen starken Mann, der seiner Bewegung nicht Herr werden konnte. Manches war Bitterkeit, noch mehr war Selbstanklage. Denn bis
152