Heft 
(1982) 34
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Enzian (Gentianella axillaris) und Strand-Tausendgüldenkraut (Centau- rium vulgare), daneben zahlreiche weitere interessante Arten, darunter auch eine Reihe bemerkenswerter Seggen. Die meisten dieser Arten sind heute in der Umgebung Berlins entweder bereits völlig verschwunden oder gehören zu den vom Aussterben bedrohten bzw. stark gefährdeten Pflan­zen. Kurzum: die Rudower Wiesen waren damals ein weit über die Grenzen der Mark bekanntes Eldorado für Botaniker, und so nimmt es nicht wun­der, daß auch Ruthe seine Schüler immer wieder in dieses Gebiet geführt hat. Es hat später, als die Rudower Wiesen in den 1880er Jahren entwäs­sert und größtenteils in eine Baumschule umgewandelt wurden, eine all­gemeine Enttäuschung und viele Proteste bei den Berliner Botanikern und Naturfreunden gegeben, und die Vernichtung dieser einzigartigen Pflanzen­formation fand als abschreckendes Beispiel dann sogar Eingang in die berühmte Denkschrift von Hugo Conwentz, dem Begründer des deutschen Naturschutzes. 8

Wie uns Fontane berichtet, beschränkte sich Ruthe bei seinen Exkursionen nicht nur darauf, seine Schüler mit den unterwegs angetroffenen Pflanzen und Tieren vertraut zu machen, sondern war auch um die sittliche Erzie­hung seiner Zöglinge bemüht. Wenn er mit ihnen beim Frühstückauf den Latten einer Dorfkegeibahn saß, ließ Rutheregelmäßig den Lehrer fallen und spielte sich auf den Rousseauschen Philanthropen und Jugend­erzieher aus, wobei er dann Sittlichkeitsfragen berührte.Botanik ist gut, und Naturwissenschaften sind gut. Aber das wichtigste bleibt doch der sittliche Mensch war seine Devise. Freilich waren, nach der Schilderung Fontanes, der weitergehenden Erörterung dieses Themas Grenzen gesetzt, denn der Direktor hatte Ruthe in dieser Hinsicht Zurückhaltung auferlegt, offenbar doch wohl, weil dessen Anschauungen nicht immer den damals verbindlichen Ansichten entsprachen. Einzelheiten dazu erfahren wir leider nicht, doch geht aus den Erinnerungen Fontanes hervor, daß er gerade durch diese Gespräche bei seinen Schülern in hohem Ansehen stand, trotzdem er uns das ,Rätsel des Lebens immer schuldig blieb. Das Urteil Fontanes steht keineswegs allein. So schreibt auch Ascherson 1860, er habe ältere Männer mit Bewunderung über den bei Ruthe genossenen Unterricht sprechen hören. Daß er auch von seinen Vorgesetzten geschätzt wurde, zeigt die Tatsache, daß ihn 1830 nach seinem Schulwechsel das Programm des Höhnischen Gymnasiums alseinen für den naturwissenschaftlichen Jugendunterricht so sehr befähigten und höchst verdienten Lehrer bezeichnet.

Ruthe war einer der besten Pflanzenkenner der damaligen Zeit und einer der führenden Floristen Berlins. Bereits 1820 begann er die Herausgabe einerFlora der Mittelmark in getrockneten Exemplaren, wobei jedem Pflanzenexemplar Angaben mit Beschreibung und Synonymie, über Nutzen und Schaden der betreffenden Sippe beigegeben wurden, doch gelangte dieses Unternehmen nicht über die 1. Centurie hinaus. Um dieselbe Zeit faßte er den Plan zu einerNaturgeschichte der Mark Brandenburg und der Niederlausitz und widmete dieser Lieblingsidee alle freie Zeit. Das ganze Werk sollte in 3 Abteilungen erscheinen, wovon eine die Mineralien,

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