Heft 
(1982) 34
Seite
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stand alles, wie es zu den Mönchszeiten gestanden hatte. 3 Das könnte auch eine Beschreibung der Wüster Dorfkirche sein.

Im Jahre 1144 war im Zuge der deutschen Ostkolonisation und des Landes­ausbaues das Prämontatenserstift Jerichow gegründet und knapp dreißig Jahre später die Stiftskirche St. Marien und Nikolaus zeitweise wohl auch Kathedralkirche des Bistums Havelberg fertiggestellt worden. Mit ihr war der erste große Sakralbau aus Backstein östlich der Elbe und zugleich eine der schönsten spätromanischen Anlagen des märkischen Back­steingebietes entstanden. Unter dem Einfluß der prämonstratensischen Bauhütte folgten in der Landschaft zwischen Elbe und Havel, die vom Ende des 12. bis ins 13. Jahrhundert hauptsächlich zur Markgrafschaft Brandenburg gehörte, eine Reihe zum Teil sehr stattlicher romanischer Dorfkirchen, sogenannte vollständige aus Apsis, Chor, Schiff und teilweise Westturm bestehende Anlagen in diesem neuen Baumaterial. Viele Schmuckformen der großen Stiftskirche kehren an diesen Dorfkirchen wieder, besonders augenfällig sind dabei die schönen Friese an den Apsiden. Die bemerkenswertesten dieser dörflichen Nachfolgebauten stehen in Schönhausen und Redekin, aber auch die Kirche von Wust zehn Kilometer von Jerichow entfernt gphört dazu.

Die Wüster Kirche, vom Havelberger Bischof Helmbert als Filia von Melkow geweiht, dürfte um 1200 erbaut worden sein. Die ältesten Teile dieses Saalbaues sind das Schiff, der eingezogene quadratische Chor und die halbkreisförmige Apsis. 4 Sie besitzen zum Teil noch die ursprünglichen rundbogigen Fenster und sind mit Winkelfriesen auf Konsolen und dar­überliegendem Zahnschnitt in spätromanischer Formensprache geschmückt. Der mit einem Kreuzgratgewölbe versehene Chor wird durch kämpferlose Rundbögen von der Apsis und dem flachgedeckten Schiff getrennt und somit die deutliche Staffelung der Bauteile auch im Inneren fortgesetzt. Es waren nicht nur ästhetische Beweggründe für diese Baugestaltung aus­schlaggebend, vielmehr spiegeln diese romanischen Kirchen einen tiefer­gehenden Symbolgehalt wider. Wenn Friedrich Möbius mit Blick auf die großen Sakralbauten dieser Epoche schrieb, daß dieromanische Kunst ... monumentale Leitbilder des gesellschaftlichen Verhaltens (aufrichtete), die dem einzelnen halfen, sich in sein Leben zu Anden, den ihm aufgetragenen Sinn seines Lebens zu realisieren, 5 so ist dieses in vereinfachterer Form auch auf die Dorfkirchen anwendbar, ja es ist anzunehmen, daß sie in ihrer Frühzeit vielfach nur eine Reduzierung der großen Sakralbauten darstellten, die im Kolonialland östlich der Elbe nahezu gleichzeitig mit ihnen entstanden sind. Diese romanische Backsteinkirche in Wust erhielt Anfang des 18. Jahrhunderts auf dem alten massiven Unterbau einen zweigeschossigen quadratischen Fachwerkturm mit barocker Haube auf­gesetzt, der allein schon wegen seiner Größe schwer zu den romanischen Teilen passen will, seither aber dem Bau im Ortsbild das Gepräge gibt und weithin sichtbar aus den Bäumen des einst parkartig gestalteten Kirchhofes herausragt.

Wust befand sich seit 1376 teilweise und seit 1608 vollständig im Besitz der Familie von Katte, die als Patrone auch das Innere und Äußere der