Heft 
(1982) 34
Seite
166
Einzelbild herunterladen

Kirche beeinflußten. 1706 wurde an der Südostseite in Backstein ein Gruft­anbau errichtet, der oder richtiger das tragische Geschick des in ihm beigesetzten Hans Hermann von Katte - den Ort und seine Kirche über­lokal bekannt machten. Der 1730 im Alter von 26 Jahren in der Festung Küstrin enthauptete Freund des Kronprinzen Friedrich ruht in einem eichenen Holzsarg an der Westvvand der Gruft, im schlichtesten unter den jetzt zehn hier aufgestellten zum Teil sehr prunkvollen Särgen des 18. Jahrhunderts. 6

Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert begannen in der Wüster Kirche durchgreifende Umgestaltungen des Inneren. Das Dominierende der insgesamt barocken Innenausstattung der Kirche ist die aus 96 Feldern bestehende Kassettendecke aus dem 18. Jahrhundert. Derartige Kassetten­decken sind auch in dörflichen Bauten seit der Romanik bekannt. Die älteste erhaltene bemalte Felderdecke Mitteleuropas befindet sich in der Kirche von Zillis (Graubünden, Schweiz) und entstand mit dem roma­nischen Schilf dieser Dorfkirche um 1140. 7 Die meisten dieser hölzernen Decken gingen jedoch nach dem Einziehen gotischer Gewölbe verloren. Erst in der Renaissance und im Barock gewannen derartige Deckenlösun­gen in Sakralbauten wieder an Bedeutung, nunmehr aber kaum noch mit vergleichbar straff gegliedertem theologischen Programm. Das trifft auch auf die Wüster Kassettendecke zu, auf ihren Feldern sind fliegende Engel mit Spruchbändern und im großen achteckigen Mittelfeld die Trinität dargestellt. In ähnlicher Art wie die Decke sind mit Engelsköpfen in Wolken auf blauem Grund auch die Füllungen der dreiseitigen Empore bemalt.

Die Wüster Kirche war in jüngerer Zeit derart schadhaft geworden, daß sich der Gemeindekirchenrat 1975 zur Aufgabe des Gebäudes gezwungen sah. Doch als ein Jahr später das Kirchendach bei starkem Wind eine akute Unfallquelle instandgesetzt werden mußte, und dabei auch Repa­raturen am Turm nötig wurden, waren diese Arbeiten der Beginn einer großartigen Rettungsaktion für die Wüster Dorfkirche, die weit über die Grenzen des kleinen Ortes hinaus Engagement weckte und die unterschied­lichsten gesellschaftlichen Kräfte im Bemühen um die Erhaltung dieses Bauwerkes vereinte. 1978 begann die Restaurierung des Inneren, ein Jahr später bereits konnte die ehemalige Patronatsloge an der Südseite des Chores als heizbarer Gemeinderaum ausgebaut werden. Mit Hilfe des von der staatlichen Denkmalpflege gestellten Restaurators Benz aus Jävenitz fanden die Hauptarbeiten der Restaurierung in den Jahren 1979 und 1980 statt. Dabei wurde der zum Grabmal umfunktionierte barocke Altaraufsatz, mit den Katteschen und Witzlebenschen Wappenschildern, Engeln und dem Auferstandenen als Bekrönung, neu vergoldet auf den Altar gebracht und das für den 1684 verstorbenen Sächsischen Geheimen Rat und Hofmarschall Hans von Katte 1716 errichtete Sandsteinepitaph, das den Verstorbenen in Ganzfigur mit Harnisch zeigt, nunmehr an die Südwand des Chores gestellt. Ebenso neu bemalt und vergoldet wurde der einfache Orgel­prospekt des 18. Jahrhunderts auf der Westempore. Die aufwendigsten Arbeiten erforderte die Decke, deren Felder sämtlich restauriert und teil-

166