Heft 
(1982) 34
Seite
175
Einzelbild herunterladen

tat, historisch ein Anachronismus. Indem Fontane das Manipulative her­vorkehrt, das die preußische Idee daraufhin annimmt, gewinnt er dem Problem eines preußisch-patriotischen Ethos, das ihn aufs nachhaltigste beschäftigt hat, nun gleichfalls eine neue, für die politische Psychologie des Kaiserreichs grundlegende Einsicht ab. Die Desillusionierung, die Schulze versagt bleibt, ergibt sich aus dem Gang der Begebenheit; die Metamorphosen jener Idee laufen im ersten Teil des Entwurfs auf ihre vollständige Demontage hinaus.

III

Der Autor und sein Held. Die Aktualisierung Friedrich Barbarossas

zugunsten der Hohenzollernmonarchie und ihrerBekämpfung des Katholizismus

Natürlich wird der Held nicht von persönlichen Einfällen bewegt. Er dient als Medium, um Auffassungen und Anwendungen des Preußentums zur Sprache zu bringen, die einmal einflußreich und meist umstritten waren. Eine Überraschung erwartet den Leser des Entwurfs allerdings, wenn auf dieser Ebene Berührungspunkte zwischen der politisch-weltanschaulichen Biographie des Helden und der seines Autors zum Vorschein kommen. Sie legen die Vermutung nahe, daß sich Fontane in derPreußischen Idee auch mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt. Auf hintergründige Weise, denn von Kongruenz oder Gradlinigkeit kann keine Rede sein: dafür sorgt schon die Unvereinbarkeit der Persönlichkeiten. Eher gibt die Kluft zwischen Fontane und Schulze, zwischen dem Geheimrat in Amt und Würden und dercatilinarischen Existenz, als die Fontane mit einem von Bismarck stammenden Schmähwort den Literaten persiflierte 20 , zu Bedenken Anlaß. Aber falls Fontane einige zentrale, prekäre Momente seines Werdeganges zur Sprache bringen wollte, ohne die eigene Person zu berühren und den autobiographischen Zusammenhang offenzulegen, dann verfügte er in seinem Helden über einen denkbar unverdächtigen Stroh­mann. Nebenbei bemerkt hatte auch Wilhelm von Merckel sich,eine fremde Gestalt vorschiebend, auf seine Weise persönlich in die Erzählung vomFrack des Herr von Chergal eingebracht . 21

Für diese Annahmen spricht das komplementäre Verhältnis, in dem der Entwurf fürDie preußische Idee zu Fontanes MemoirenVon Zwanzig bis Dreißig steht, an denen er zu jener Zeit zu arbeiten begann. Läßt man mit dem nötigen Vorbehalt Reuters Wort gelten, das siezu einem kri­tischen Lebensrückblick ,von zehn bis achtzig ' 22 erklärt, dann erfassen sie denselben Zeitraum wie der Entwurf. Daß Fontane namentlich bei der Darstellung der Herwegh-Zeit auf einige Züge derPreußischen Idee zurückkommt, liegt nahe und hat wenig zu besagen. Um so mehr ist auf die subtile und im Ergebnis ungemein reizvolle Vermeidungstaktik Wert zu legen, zu der er in den Memoiren greift. Nicht daß er die Selbstbekennt­nisse scheute aber es sind die des Alters, der späten Einsichten und Standpunkte. In dieser Richtung bewegt sich die Wahrheitsfindung; Kon­fessionen im rousseauschen Sinne einer rückhaltlosen Enthüllung des Gewesenen, womöglich einer Selbstentblößung sind ihre Sache nicht. Selbst­ironie und Distanz gegenüber dem, der er einst gewesen ist, werden bevor-

175