zugt. Und wie er darauf ausgegangen ist, überall „mehr das Menschliche als das Literarische zu betonen“ 23 , so betont er in der Darstellung seines von Politik und Literatur geprägten Werdegangs auch mehr das Menschliche als das Politische. Sein Bestreben, die tiefe eigene Verstricktheit in die innerpolitischen Gegensätze Preußens teils zu übergehen, teils zu bagatellisieren, ist schon lange erwiesen.
Die — wenn man so will — Vermeidungstaktik der „Preußischen Idee“ ist eine andere. Sie verdeckt ebenfalls die subjektive Beteiligtheit des Autors, jedoch-um manches von deren Inhalten, vor allem was die problematischen, in den Memoiren bloß gestreiften fünfziger, sechziger, siebziger Jahre betrifft, unter dem Deckmantel einer fiktiven, fremden Biographie mitteilbar und einer Revision zugänglich zu machen.
Zur Debatte gestellt werden im Entwurf drei kollidierende Konstanten von Fontanes politischem Denken, die miteinander zu vereinbaren er ein gutes halbes Jahrhundert hindurch innerlich gerungen hat: das Freiheitliche, das Preußische und das Nationale. Sie müssen hier nicht auf die gegensätzlichen politischen Richtungen bezogen werden, denen er sich während seiner journalistischen Laufbahn näherte, ohne sich mit einer von ihnen voll zu identifizieren; das ist andernorts geschehen. Es kommt mehr auf den Anteil des Fontane Zugehörigen in den eklektisch wechselnden, aber dieselben Konstanten aufweisenden Anschauungen des Helden an, das nicht ohne weiteres von dem zu unterscheiden ist, was anderen Zeitgenossen oder einfach dem Zeitgeist gehört.
Diese Faktoren durchdringen sich namentlich im Kreis der „ghibellinischen Idee“, an der Fontane nur peripher beteiligt war. Dahinter verbirgt sich eine der „Stiftungslegenden des Kaiserreichs“ 24 , die mit aktuellen Tendenzen der preußischen Politik in den dreißiger und wiederum in den siebziger Jahren verbunden wurde. Die Aktualisierung des Gegensatzes zwischen den kaiserlich gesinnten Ghibellinen und den päpstlich gesinnten Welfen (Guelfen) unter dem Staufer Friedrich I. Barbarossa geht auf den Hallenser Historiker Heinrich Leo zurück. Stockpreuße und eifernder Protestant, hatte er 1837 in dem Kölner Kirchenstreit um die konfessionellen Mischehen, der zu einer mehrjährigen erbitterten Auseinandersetzung des preußischen Staates mit dem katholischen Klerus und der Kurie führte, die Gegenpartei, als deren Wortführer der alte Joseph Görres aufgetreten war, mit der Bezeichnung Welfen belegt. Das erwies sich, wie noch die Übernahme durch Treitschke in seiner „Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert“ zeigt, als wirksames Schlagwort, um gegen einen sich politisierenden Katholizismus Preußen als den Erben und Hort zumindest der Glaubensfreiheit darzustellen. Er begünstigte aber auch sein politisches Profil, denn der Antagonist Preußens in Norddeutschland, das Königreich Hannover, konnte, aller Glaubensverwandtschaft ungeachtet, unter dem Odium eines politischen Welfentums in diesen Gegensatz einbezongen werden, nachdem dort im selben Jahr die Verfassung gebrochen und die Göttinger Sieben ausgewiesen wurden.
Es konnte nicht ausbleiben, daß im Kulturkampf der siebziger Jahre, mit dem Bismarck den katholischen Partikularismus ausschalten wollte, und
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