Heft 
(1982) 34
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zugt. Und wie er darauf ausgegangen ist, überallmehr das Menschliche als das Literarische zu betonen 23 , so betont er in der Darstellung seines von Politik und Literatur geprägten Werdegangs auch mehr das Mensch­liche als das Politische. Sein Bestreben, die tiefe eigene Verstricktheit in die innerpolitischen Gegensätze Preußens teils zu übergehen, teils zu baga­tellisieren, ist schon lange erwiesen.

Die wenn man so will Vermeidungstaktik derPreußischen Idee ist eine andere. Sie verdeckt ebenfalls die subjektive Beteiligtheit des Autors, jedoch-um manches von deren Inhalten, vor allem was die problematischen, in den Memoiren bloß gestreiften fünfziger, sechziger, siebziger Jahre betrifft, unter dem Deckmantel einer fiktiven, fremden Biographie mitteil­bar und einer Revision zugänglich zu machen.

Zur Debatte gestellt werden im Entwurf drei kollidierende Konstanten von Fontanes politischem Denken, die miteinander zu vereinbaren er ein gutes halbes Jahrhundert hindurch innerlich gerungen hat: das Freiheit­liche, das Preußische und das Nationale. Sie müssen hier nicht auf die gegensätzlichen politischen Richtungen bezogen werden, denen er sich während seiner journalistischen Laufbahn näherte, ohne sich mit einer von ihnen voll zu identifizieren; das ist andernorts geschehen. Es kommt mehr auf den Anteil des Fontane Zugehörigen in den eklektisch wechseln­den, aber dieselben Konstanten aufweisenden Anschauungen des Helden an, das nicht ohne weiteres von dem zu unterscheiden ist, was anderen Zeitgenossen oder einfach dem Zeitgeist gehört.

Diese Faktoren durchdringen sich namentlich im Kreis derghibellinischen Idee, an der Fontane nur peripher beteiligt war. Dahinter verbirgt sich eine derStiftungslegenden des Kaiserreichs 24 , die mit aktuellen Tenden­zen der preußischen Politik in den dreißiger und wiederum in den siebziger Jahren verbunden wurde. Die Aktualisierung des Gegensatzes zwischen den kaiserlich gesinnten Ghibellinen und den päpstlich gesinnten Welfen (Guelfen) unter dem Staufer Friedrich I. Barbarossa geht auf den Hallenser Historiker Heinrich Leo zurück. Stockpreuße und eifernder Protestant, hatte er 1837 in dem Kölner Kirchenstreit um die konfessionellen Misch­ehen, der zu einer mehrjährigen erbitterten Auseinandersetzung des preu­ßischen Staates mit dem katholischen Klerus und der Kurie führte, die Gegenpartei, als deren Wortführer der alte Joseph Görres aufgetreten war, mit der Bezeichnung Welfen belegt. Das erwies sich, wie noch die Über­nahme durch Treitschke in seinerDeutschen Geschichte im 19. Jahrhun­dert zeigt, als wirksames Schlagwort, um gegen einen sich politisierenden Katholizismus Preußen als den Erben und Hort zumindest der Glaubens­freiheit darzustellen. Er begünstigte aber auch sein politisches Profil, denn der Antagonist Preußens in Norddeutschland, das Königreich Hannover, konnte, aller Glaubensverwandtschaft ungeachtet, unter dem Odium eines politischen Welfentums in diesen Gegensatz einbezongen werden, nachdem dort im selben Jahr die Verfassung gebrochen und die Göttinger Sieben ausgewiesen wurden.

Es konnte nicht ausbleiben, daß im Kulturkampf der siebziger Jahre, mit dem Bismarck den katholischen Partikularismus ausschalten wollte, und

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