den italienischen Nationalstaat zu verstehen, der auch gegen das Papsttum geführt wurde und sich noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts in scharfen Gegensätzen äußerte; die Herrscher von Sardinien und Piemont, die mit Viktor Emanuel 1861 den ersten italienischen König stellten, waren auch Grafen von Savoyen.
Bei Fontane sind die Akzente anders verteilt als bei seinem Helden. Seine Sympathien für die italienischen Befreiungs- und Einigungskämpfe, die er in der Skizze „Cafes von heut und Konditoreien von ehemals“ auf die Vormärzzeit zurückführt, speisen sich aus politischen, nicht aus konfessionellen Gründen. Gelegentlich verbindet er seine Sympathiebekundung für das italienische Volk mit dem Bekenntnis einer Schwärmerei „für die große Epoche des Papsttums“. 32 Und rückblickend erklärt er, ein von Borniertheit eingegebener Antikatholizismus sei ihm immer etwas besonders Schreckliches gewesen. 33 Sein überaus herzliches langdauemdes Verhältnis zum Hause der Frau von Wangenheim, einer Erzkatholikin, wo die Führer der Zentrumspartei verkehrten, wäre anders auch nicht denkbar.
Wohl gibt es Anzeichen, daß er zu Beginn des Kulturkampfes keine Neutralität gewahrt hat. 34 Wesentlich ist indes die Unterscheidung, die er ein halbes Jahr vor seinem Tode in einem Zusammenhang trifft, der das Gesamtkonzept der „Preußischen Idee“ berührt:
„(...) der jetzt in unserm Lande blühende Borussismus ist sehr wenig nach meinem Geschmack, und wenn ich Reden lese, wie sie Kaiser Wilhelm und nun gar erst (als Antwort) sein Bruder Heinrich in Kiel gehalten hat, so wird mir bei diesem Rückfall in Anschauungen, die noch über die Stuart- Anschauungen Jacobs II. hinausgehn, himmelangst. Aber das nehme ich auf den Diensteid, daß der Große Kurfürst, der sogenannte ,Soldatenkönig' (Fr. W.) und der Alte Fritz nicht bloß famose Kerle gewesen sind, sondern daß ihr Tun, weit über das Selbstische hinaus, auch im Dienste großer Ideen, vor allem der Bekämpfung des Katholizismus, gestanden hat. (...) Ich darf dies um so mehr hervorheben, als ich persönlich gegen alle antikatholische Politik bin, aber jedenfalls, falsch oder richtig, war immer eine Idee da, nach der die Hohenzollern zwei Jahrhunderte lang ihre Politik getrieben haben.“ 35
Dem englischen Adressaten gegenüber betonte Fontane hier auf Kosten anderer Momente eines, in dem sich preußische und englische Geschichte zu begegnen schienen. Dennoch bleibt festzuhalten, daß sich in seinen Augen die preußische Politik — wenigstens die frühere — noch immer als eine Ideenpolitik darstellt und die Bekämpfung des Katholizismus — von der er sich distanzierte — zur preußischen Idee hinzugehörte. Praktisch war er dem Dilemma von Distanzierung und Identifizierung in dieser Frage enthoben, seit Bismarck die Konfrontation mit dem Katholizismus aufgegeben hatte. Man erinnert und fragt sich: Gelangte nicht auch der Adolph Schulze des Entwurfs zu einer Gewissensruhe, als er sich aus dem Kulturkampf, aus der „Starrheit des Prinzips“ in den Gedanken der „Parität“ (S. 121) rettete?