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jenem Titel 1804 entwickelt und 1809 in seinen „Elementen der Staatskunst“ ausgearbeitet hatte. Korff faßt sie dahin zusammen, daß nach Müller die Struktur des Staates im Inneren nur als ein lebendiger Ausgleich von Gegensätzen zu verstehen sei. „Der Staat von innen gesehen ist das Gleichgewicht der in ihm organisierten Kräfte, und zwar gegensätzlicher Kräfte, die notwendig miteinander ringen müssen und miteinander ringen sollen. Denn darauf beruht das Leben des Einzelnen, der Staaten wie der Natur. Das ist die Idee, die allen Schriften Adam Müllers zugrunde liegt (...), so wie die verschiedenen Geschlechter, die verschiedenen Lebensalter, die verschiedenen Stände, vor allem aber die vergangenen und die zukünftigen Generationen im Staate verbunden sind und von ihm zu einem fruchtbaren Ausgleich gebracht werden, so sollen in ihm zum Ausgleich kommen auch das individuelle Gefühl und das kollektive Gefühl des einzelnen Menschen — Freiheit und Gesetz.“ 37 Eine vorbildliche Regierung hat Müller zufolge dafür Sorge zu tragen, daß die organische Entwicklung weder durch das Beharrungsvermögen konservativer Stände (Adel und Geistlichkeit) noch durch die Fliehkraft liberaler Stände (schaffendes Bürgertum und Kaufmannschaft) gestört wird.
Diese Bestimmungen lassen es nebensächlich erscheinen, daß die Person Adam Müllers, soweit im Moment ersichtlich, bei Fontane keine Rolle spielt. Sie weisen unmißverständlich auf bekannte fundamentale Denkmuster Fontanes hin, so daß man von einem verdeckten Zusammenhang auszugehen hat, obwohl die Wege, auf denen ihm Müllers Gedankengut zugekommen ist, die Form, in der es ihm begegnet ist, und die Art der Verarbeitung im Dunkeln liegen. Eine Forschung, die es ernst mit Fontanes Anschauungswelt meint, wird sich einer Untersuchung der fraglichen Vermittlungen nicht entziehen können.
Weniger Probleme geben die folgenden Etappen von Schulzes Lebenswandel auf: sein Aufatmen, als die „Neue Ära“ die Zügel lockert; seine Konflikte, als es über die Heeresreorganisation zu den schärfsten Gegensätzen kommt; seine Genugtuung, als Preußen in der deutschen Frage, wenngleich sehr anders als man im liberalen Lager von ihm gefordert hatte, endlich die Initiative übernommen, „angefangen“ (S. 120) und Erfolg gehabt hat. Es sind dies Reaktionen, die er mit Fontane teilt, von dessen widerspruchsvollen Einstellungen und Entwicklungen in den Entwurf freilich kaum ein Bruchteil eingeht; sie bildeten, wie andernorts dargestellt, den Nährboden für seinen Roman „Vor dem Sturm“.
Doch entspricht die „Preußische Idee“ Fontanes seinem historischen Roman insofern, als in ihr die Heeresorganisation noch, was die militärische Zweckmäßigkeit betrifft, als ein Traditionsproblem erörtert wird. Dabei nimmt der preußische Januskopf zum erstenmal eindeutige Züge an. Dem friderizianischen Grenadier stehen der Landwehrmann und der freiwillige Jäger gegenüber. Fontane hat sich mit einer ihm sehr geläufigen Andeutung begnügt, um die Dimension dieses Gegensatzes zu kennzeichnen, in dem Schulze es weder jetzt noch später zu einer Entscheidung bringt. Dem vollen Wortlaut nach heißt nämlich die zweite Strophe der preußischen Königshymne, von der er nur den Anfangsvers anführt:
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