zu hören, daß zum Widerstand auch die Opposition „die Macht und das Recht“ (S. 125) habe, er hingegen die Bereitschaft vermissen lasse, seine (freiheitliche) Überzeugung in die Tat umzusetzen. Das ist bereits zu derzeit, als der junge Assessor Herweghs Ruf vernommen hat und meint, ihn mit der preußischen Idee, dem kategorischen Imperativ, der Loyalität für die Hohenzollem, ohne die „kein Deutschland, kein Preußen, keine Freiheit“ (S. 125), in Einklang bringen sollen.
An und für sich hat Fontane am Schluß des zweiten Teils eine Scheideweg- Situation hergestellt. Die beiden widerstreitenden Traditionen im Preußentum stehen sich gegenüber. Aber der Held — wie es scheint auch darin ein Erbe — ist um ihre Wiederversöhnung bemüht. Damit ist ungeachtet des verlorenen Textes ein gewisser Abschluß und der Anschluß an den Beginn des ersten Teils der „Preußischen Idee“ erreicht.
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Die Demontage der preußischen Idee in Fontanes Entwurf und die Wiederaufnahme der Traditionsdebatte im „Stechlin“
Da der zweite Teil des Entwurfs den ersten ergänzt und sich konzeptionell einfügt, kann er auch nidit, wie bei Schober, gegen den ersten ausgespielt werden. Vielmehr ist die altpreußische Gesinnung, die nachträglich als Ausgangsposition der Handlung vorausgesetzt wurde, einbezogen in die weiteren Schicksale der preußischen Idee, die sie seit Schulzes siebzigsten Geburtstag und seinem Ausscheiden aus dem Amt erlebt. Diese Schicksale, wurde oben gesagt, laufen auf ihre vollständige Demontage hinaus. Daran wird von drei Seiten gearbeitet: von Schulze selbst, der außer Diensten die Umdeutung seiner Idee auf eigene Faust weiterführt, von seinem neuen Bekannten, dem Profesor Victor Hehnchen, und von Schulzes Kollegen, die seinen Geburtstag und seinen Tod, die zu wiederholten Resümees Anlaß geben, mit ihren Reden begleiten. Durch die Einführung von Nebenfiguren verändert sich in diesem Schlußabschnitt die Komposition, aber auch die Stimmungslage und der thematische Schwerpunkt bleiben nicht dieselben. Ein Zug ins Burleske tritt hervor, und zur Debatte gestellt werden weniger die Metamorphosen als die Existenz der preu- ßichen Idee.
Diese drei neuen Momente machen sich sofort in Paradoxien geltend, als der Festredner auf Schulzes Siebzigstem die Reinheit feiert, mit der er die Idee aufrechterhalten, und Schulze sich der Konsequenz rühmt, mit der er an ihrer Verwirklichung gearbeitet habe. Danach muß es schon Zweifel auslösen, wenn er sich glücklich preist, „daß es überhaupt eine preußische Idee gebe.“ (S. 121) Die Paradoxien setzen sich fort, wenn er in fortgeschrittener Stimmung erklärt, die preußische Idee sei die Sozialdemokratie. Er wäre schon zu ernst genommen, würde man ihm hierin folgen und über ein Nachfolge-, Beerbungs- oder Ablösungsverhältnis nach- denken. Als eine preußische Idee jedenfalls hat sie sich damit erledigt. Auf einem anderen Blatt steht die Wiederaufnahme der Herweghschen Sphinx- und Ödipus-Motivik und ihre Anwendung auf Bismarck, der das
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