wunderer' 1 als ihn. 49 Von der Ideenpolitik der Hohenzollern, richtig oder- falsch, war schon die Rede.
Diesen Widerspruch aufzuklären hilft die Erinnerung an den Gattungscharakter der „Preußischen Idee“. Es liegt in der Konsequenz der Typensatire, ihren Helden samt dem — wenn man das Wort im weitesten Sinne nimmt — von ihm vertretenen Prinzip ad absurdum zu führen. Das geschieht. Fontane vermochte damit seine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, daß altpreußische Tradition und Gesinnung, die von Hause aus ambivalent, aber zu ihrer Zeit in erster Linie funktionstüchtig gewesen sind, von ihren Nachfolgern, Erben und Sachwaltern heruntergewirt- schaftet wurden. Der Umstand, daß nach der Reichsgründung das Preußentum nurmehr reaktionär funktionierte, schlug sich bei ihm in der weitergehenden Überzeugung nieder, das Altpreußische habe sich überlebt.
Auf das Gedankenspiel mit einer zeitgemäßen Erneuerung der Tradition mochte er deshalb nicht verzichten; es lag zu tief in seiner Denkweise begründet, die immer noch den Entwicklungsfortschritt am liebsten durch die Begegnung des Alten mit dem Neuen, der bewegenden und der beharrenden Kräfte, durch ein produktives Ineinandergreifen der Gegensätze bewerkstelligt sehen wollte. Dieses Konzept fand im politischen Roman den Spielraum, den ihm die politische Satire von vornherein vorenthielt. Mittelbar bestätigten so der Entwurf der „Preußischen Idee“ und der Verzicht auf seine Ausführung die Überlegung Koshinows: „Für den kritischen Realismus (des 19. Jahrhunderts, P. W.) im Westen ist die Satire in der eigentlichen offenen Form nicht charakteristisch, denn die Satire ist in der Regel untrennbar mit einem bestimmten gesellschaftlich-politischen Ideal verbunden ... “ 50 Fontanes Ideal besaß diese Bestimmtheit nicht.
„Die preußische Idee“, entstanden aus den autobiographischen Selbstverständigungsprozessen Mitte der neunziger Jahre, rückte infolgedessen in das Vorbereitungs- und Einzugsgebiet des „Stechlin“. Auch im einzelnen wurde nicht weniges von den Problemen und Motiven des Entwurfs dort weiterverwandt; die Skala reicht vom Grundsätzlichen des Opfermutes bis zum Anekdotischen, der Aufmunterung des Alten Fritzen an seinen Gesandten: „Denk’ Er nur immer, daß Er hunderttausend Mann hinter sich hat.“
Die Skepsis, mit der Fontanes Aussichten auf eine erfolgreiche Realisierung des Entwurfs zu betrachten sind, läßt kein rechtes Bedauern über dieses Schicksal der „Preußischen Idee“ aufkommen. Zur Skepsis, wenn es um die Herleitung substantiell preußischer Traditionen für den heutigen Gebrauch aus dem Erbe des offiziellen Preußentums geht, hätte sie allerdings beigetragen.
Anmerkungen
Zitate nach der Nymphenburger Fontane-Ausgabe (Theodor Fontane: Sämtliche Werke. München 1959-1975. Bd 1-24) werden durch die Bezeichnung NFA, Band- und Seitenzahl angegeben, Zitate nach der Briefausgabe Gotthard Erlers (Theodor Fontane: Brieie in zwei Bänden. Berlin, Weimar 1968) durch die Bezeichnung Ausgew.