und meldet, von seiner damaligen Realismusauffassung her, auch Bedenken gegen Schillers „Die Kraniche des Ibykus“ sowie Goethes „Die Braut von Korinth“ an. 13
Es kommt hinzu, daß Fontane auf seinem eigenen Bildungsweg eher mit zeitgenössischen Dichtern seiner Jugendjahre wie Platen und Lenau, Freiligrath und Herwegh, Heine und Storm als mit den Klassikern Goethe und Schiller vertraut wurde. Daher galt seine Aufmerksamkeit mehr jenen jüngeren Poeten, die seinem Jahrhundert angehörten, als den Klassikern. Storm gegenüber hat er 1868 sogar ausdrücklich bekannt, daß ihm andere Dichter mehr am Herzen lagen als die Klassiker. Von den „Großen“ unter den deutschen Dichtern sprechend, schrieb er am 22. Mai 1868 an Storm: „Bürger ist kein Schiller, Heine ist kein Goethe, Storm ist kein Wieland, und doch decken Bürger, Heine, Storm mein Herzensbedürfnis unendlich mehr als das große Dreigestim.“ Und Fontane fügt, in die Einzelheiten gehend, hinzu: „Nicht einmal für die Schönheit des ,Königs von Thule 1 ist mir das volle Verständnis aufgegangen.“ Doch „ganz“ gehe ihm „das Herz auf“, wenn er Gedichte von Heine oder Storm lese. 1 '* Die Lyriker, die seine — zumeist älteren — Zeitgenossen waren, fesselten ihn also stärker als die Klassiker. Allein Bürger machte dabei eine Ausnahme.
Viele Jahrzehnte später, in „Von Zwanzig bis Dreissig“, schrieb er dazu, indem er den eigenen Bildungsweg als den richtigen verteidigte,: „Es ist Unsinn, jungen Leuten immer mit dem ,Besten* zu kommen. Man hat sich in das Beste hineinzuwachsen, und das dauert oft recht lange. Schadet auch nichts. Vor allem ist es ganz unnatürlich, mit Goethe zu beginnen. Ich bin glücklich, mit Freiligrath begonnen zu haben.“ 15
Auch solche Erwägungen mögen mitgespielt haben, wenn Fontane seine Anthologie nicht bei Goethe, sondern 1813 beginnen ließ, wenngleich Fontane damals (1851) an jenes „Hineinwachsen“, von dem in „Von Zwanzig bis Dreissig“ die Rede ist, noch nicht gedacht haben wird und man Zweifel daran anmelden darf, ob jener Vers
Der Band von Goethe gab mir Kraft und Leben aus dem 1889 entstandenen Gedicht „Fritz Katzfuß“, das eine autobiographische Aussage enthält und in dem Fontane seine eigene Jugend im Lichte der Jugendjahre Fritz Katzfuß beschreibt, so ganz der Wirklichkeit entspricht.
Fontane legt ferner klar und eindeutig fest, welche Dichter und Gedichte bei der Auswahl den Vorrang haben, und schreibt im Vorwort zur 1. Auflage: „Was den Inhalt, die getroffene Auswahl, angeht, so glaub* ich mich kurz dahin erklären zu können, daß ich bestrebt gewesen bin, dem Einfachen, Frischen und Gesunden — das vor nicht allzu langer Zeit in Gefahr stand, durch Schwulst, Pathos und Bilderwust überwuchert zu werden — nach meiner Kraft zu seinem Recht zu verhelfen. Daher, beispielsweise, die vielfache Benutzung Rückerts und Wilhelm Müllers, besonders des letzteren. Wo sich Verstöße gegen dies Streben Anden, liegt der Grund in äußeren Einflüssen, deren Beherrschung nicht in meine Macht gegeben war.“ 10
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