Wir werden noch sehen, in welchem Umfang die Praxis seiner Auswahl diesen Grundsatz bestätigt.
Über die Gliederung der ausgewählten Gedichte und über die Bezeichnung der zu bildenden Gruppen hat sich Fontane durchaus Gedanken gemacht und dabei die in bisherigen Gedichtsammlungen üblichen Verfahrensweisen kritisch gemustert. Wie bei der Auswahl der Gedichte das ..Einfache, Frische und Gesunde“ den Vorrang hat, so ist Fontane auch hier auf „Einfachheit“ bedacht. Er schrieb dazu am 14. April 1851 an Bernhard von Lepel: „Ich habe überhaupt viele Fragen an Dich zu richten, zunächst wegen meiner Anthologie ... Denke doch womöglich schon vorher ein bißchen darüber nach, wie ich die Abschnitte machen und bezeichnen soll. Alle Wissenschaftlichkeit muß übrigens aus dem Spiele bleiben, da das Buch ,fürs große Publikum' berechnet ist. — Das Abschnittemachen geschieht von den Sammlern (Gödecke, Kletke u. s. w.) gemeinhin ohne allen Geschmack und namentlich ohne innere Notwendigkeit; die Überschriften könnten ebensogut ganz anders lauten und doch ebenso passend oder unpassend sein. Ich möchte mich deshalb fast für die höchste Einfachheit entscheiden, z. B. (ähnlich wie bei Strachwitz) I den Frauen II den Männern; und damit Basta. Oder: I Lieder II Balladen. Ich halte diese Einfachheit fürs Beste, aber meinem Buchhändler gegenüber wird es erscheinen, als sei ich dumm, als hätt ich nichts Beßres gewußt. Wenn ich nun also mehr (gewissermaßen auch weniger) biete, bist Du alsdann dafür, daß ich sozusagen prosaische, einfach die Sache bezeichnende Überschriften mache, wie I Lieder II Sprüche III Idyllen IV Lehrgedichte V Beschreibende Gedichte VI Dithyramben VII Romanzen u. s. w. oder daß ich nebelhafte, poetisch sein sollende Bezeichnungen wähle wie I Liebe, Leid und Lust II Heimat und Fremde III Kampf und Krieg u. s. w. Denke darüber ä bissl nach.“ 17
Das Ergebnis dieser Überlegungen bestand darin, daß unter sehr allgemeinen und — man kann wohl sagen — eigenwilligen oder doch eigenständigen Gesichtspunkten drei Gruppen gebildet wurden, deren verbale Bezeichnungen, weil zu „auffällig“, jedoch durch Numerierung ersetzt wurden. Fontane erläuterte das im Vorwort zur 1. Auflage mit den Worten: „Zunächst, was die Einteilung des vorhandenen Stoffes betrifft, zog ich es vor, statt vielfacher, künstlich gemachter, oft sogar willkürlicher Unterabteilungen jene drei Hauptgruppierungen eintreten zu lassen, denen sich — eben weil es Gattungen und Begriffe sind, die das ganze Gebiet umfassen — das reiche Material am einfachsten und natürlichsten fügen mußte. Gesung- nes, Gedachtes und Erzähltes hab’ ich in drei große Gruppen nebeneinander gestellt, und wenn ich statt dieser Bezeichnungen die rein äußerliche:
,Erstes, zweites und drittes Buch' wählte, geschah es lediglich, um das Auffällige jener Ausdrucksweise zu vermeiden.“ 18
Das mithin aus drei „Büchern“ bestehende „Deutsche Dichteralbum“ umfaßt in seiner vierten Auflage 448 Seiten. Es sind darin 56 Dichter mit insgesamt 343 Gedichten vertreten.
Was den Raum angeht, der ihnen in der Anthologie zugebilligt wird und der nach der Seitenzahl bzw. nach der Zahl der aufgenommenen Gedichte