Heft 
(1982) 34
Seite
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Man kann die Gedichte, die Fontane in seine Anthologie aufgenommen hat, in vier Gruppen einteilen. Da ist erstens die Liebes-, Natur- und Wander­lyrik. Diese Gruppe nimmt den breitesten Raum ein. Es versteht sich, daß hier Wilhelm Müller besonders stark vertreten ist, seine Frühlings-, Müller­und Wanderlieder entsprechen am besten jenem Maßstab, den Fontane bei der Auswahl anlegen wollte, nämlich dasEinfache, Frische und Gesunde vor allem zu seinem Recht kommen zu lassen. Das gleiche läßt sich von Uhlands Liedern sagen, von dem die Anthologie zumal Natur- und Wander­lieder bringt, während Rückert und Heine vorab mit ihrer Liebeslyrik (aus demLiebesfrühling und demBuch der Lieder) zu Wort kommen. Als mit bedeutenden oder doch bekannten Gedichten vertreten verdienen aus dieser Gruppe noch Eichendorff, Geibel, Groth, Kerner, Lenau, Lingg, Mörike und Storm genannt zu werden.

An einzelnen Gedichten seien einige hervorgehoben, die uns ihres künstle­rischen Wertes wegen besonders ansprechen, so LenausSchilflieder, LinggsMittgszauber, Liebeslieder von Mörike wieEin Stündlein wohl vor Tag undDas verlassene Mägdlein oder von Storm wieDu willst es nicht in Worten sagen undMeine Mutter liats gewollt, während Storms Oktoberlied die Anthologie eröffnet. Genannt werden muß aber auch UhlandsFrühlingsglaube, nicht zuletzt deshalb, weil das Gedicht zu jenen Frühlingsliedem Uhlands gehört, die Fontane so hoch bewertet, daß ihm schon eines von ihnen mehr galt alsder ganze La Motte Fouque [...] mit Haut und Haaren. 25

Andere Gedichte und das sind besonders Wanderlieder rufen unsere Aufmerksamkeit wach, weil sie allgemein bekannt sind, etwa Eichendorffs GedichteDas zerbrochene Ringlein (In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad...) sowieDer frohe Wandersmann (Wem Gott will rechte Gunst erweisen), aber auch GeibelsMorgenwanderung (Wer recht in Freuden wandern will...), KernersWanderlied (Wohlauf, noch getrunken den funkelnden Wein ...) und Franz KuglersRudels­burg (An der Saale hellem Strande...).

Die zweite Gruppe bilden die politischen und gesellschaftskritischen Ge­dichte. Hier hat Fontane eine sehr enge Auswahl getroffen. So wie er die meisten seiner eigenen politischen Gedichte aus dem Vormärz nicht ver­öffentlicht hat, so hat er auch hier die politische Lyrik des Vormärz fast gänzlich unterdrückt.

Aus der Zeit der Erhebung gegen Napoleon stammen immerhin etliche Gedichte der Anthologie. Da sind vier Lieder von Emst Moritz Arndt: Des Deutschen Vaterland,Das Lied von Schill, 26Das Lied vom Feld­marschall 27 undVaterlandslied, ferner Theodor KörnersLützows wilde Jagd und Max von SchenkendorfsDas Lied von Schamhorst undFrei­heit (Freiheit, die ich meine...). Der 2. bürgerlichen Revolution (182023) in Spanien ist Wilhelm MüllersHymne auf den Tod des Raphael Riego gewidmet. Von dem Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken (18211829) künden vierGriechenlieder von Wilhelm Müller sowieGastrecht von Anastasius Grün, von dem der Polen gegen den Zarismus (1830/31) Lenaus GedichtDer Polenflüchtling und Herweghs

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