Heft 
(1982) 34
Seite
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Der sterbende Trompeter. Von Freiligrath enthält die Anthologie an politischen GedichtenHamlet undIrland, und man muß sagen, daß Irland zusammen mit ChamissosDas Gebet der Witwe von allen in der Anthologie enthaltenen Gedichten die stärkste gesellschaftskritische Tendenz aufweist. Sie bilden aber eine Ausnahme. Denn im übrigen bietet dasDeutsche Dichteralbum kaum gesellschaftskritische Gedichte und überhaupt aus der politischen Lyrik des Vormärz nur wenige Gedichte. Einige stammen aus der Feder von Anastasius Grün, soDie Dicken und die Dünnen,Unsre Zeit undEin Menschenleben. Dagegen ist die politische Lyrik Georg Herweghs fast unberücksichtigt geflieben. Von ihm finden wir außerDer sterbende Trompeter nur dieStrophen aus der Fremde (Teil 2:Ich möchte hingehn wie das Abendrot...) das Rheinweinlied und dasReiterlied, also Gedichte, die politisch mehr oder minder unverbindlich sind. Ja, dasRheinweinlied ist zwar nicht nationalistisch gemeint, konnte aber so gedeutet werden, da es in der Nachfolge von Nikolaus BeckersDer deutsche Rhein stand.

Die dritte Gruppe von Gedichten kann man als Reflexionslyrik bezeich­nen. Es sind nicht eigentlich philosophische Gedichte, sondern sie erwägen Fragen der Welt-»und Lebensanschauung. Sie stehen zumeist, aber nicht ausschließlich im zweiten Teil der Anthologie, dem Fontane ja die Über­schriftGedachtes geben wollte. Hierher gehören, um noch einmal einige besonders wertvolle hervorzuheben, Gedichte wie HeinesFragen und Sonnenuntergang, LenausDie drei Zigeuner undFrage, ferner Gei- belsLied der Spinnerin undLeichter Sinn oder UhlandsDichter­segen sowie Wilhelm MüllersDie Forelle.

Zu dieser dritten Gruppe sind auch etliche Gedichte von Platen zu rechnen; von ihnen seien hier die vier LiederWürde selbst die Welt zertrümmert, Wie werden wir umhergetrieben,Oft wenn wir lang im Dunkel schwei­fen undSich von den Mensch fern zu halten sowie die GhaseleEs liegt an eines Menschen Schmerz, an eines Menschen Wunde nichts angeführt. Die vierte Gruppe setzt sich aus Balladen, Bildern und anderen erzählen­den Gedichten zusammen. Fontane wollte ihr die ÜberschriftErzähltes geben.

Neben manchem Unbedeutenden und jetzt Vergessenen weist diese Gruppe eine Reihe von lyrisch-epischen Gedichten auf, die wir auch heute noch zu den besten oder doch den guten zählen. Unter ihnen befinden sich ChamissosDie alte Waschfrau, Gustav SchwabsDer Reiter und der Bodensee undDas Gewitter, HeinesLorelei undSchlachtfeld bei Hastings, MörikesSchön-Rohtraut, PlatensDas Grab im Busento und schließlich mit Abstand FreiligrathsLöwenritt.

Weniger glücklich war vielleicht die Auswahl aus Uhlands Balladen, die Fontane traf und die nur die folgenden umfaßt:Der schwarze Ritter, König Karls Meerfahrt,Taillefer,Der Schenk von Limburg und Vom treuen Walter.

Fontane hatte ein gutes Recht, unter den Balladendichtern auch sich selbst zur Geltung zu bringen. So finden wir denn von ihm außer vier Feld-

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