„Der sterbende Trompeter“. Von Freiligrath enthält die Anthologie an politischen Gedichten „Hamlet“ und „Irland“, und man muß sagen, daß „Irland“ — zusammen mit Chamissos „Das Gebet der Witwe“ — von allen in der Anthologie enthaltenen Gedichten die stärkste gesellschaftskritische Tendenz aufweist. Sie bilden aber eine Ausnahme. Denn im übrigen bietet das „Deutsche Dichteralbum“ kaum gesellschaftskritische Gedichte und überhaupt aus der politischen Lyrik des Vormärz nur wenige Gedichte. Einige stammen aus der Feder von Anastasius Grün, so „Die Dicken und die Dünnen“, „Unsre Zeit“ und „Ein Menschenleben“. Dagegen ist die politische Lyrik Georg Herweghs fast unberücksichtigt geflieben. Von ihm finden wir — außer „Der sterbende Trompeter“ — nur die „Strophen aus der Fremde“ (Teil 2: „Ich möchte hingehn wie das Abendrot...“) das „Rheinweinlied“ und das „Reiterlied“, also Gedichte, die politisch mehr oder minder unverbindlich sind. Ja, das „Rheinweinlied“ ist zwar nicht nationalistisch gemeint, konnte aber so gedeutet werden, da es in der Nachfolge von Nikolaus Beckers „Der deutsche Rhein“ stand.
Die dritte Gruppe von Gedichten kann man als Reflexionslyrik bezeichnen. Es sind nicht eigentlich philosophische Gedichte, sondern sie erwägen Fragen der Welt-»und Lebensanschauung. Sie stehen zumeist, aber nicht ausschließlich im zweiten Teil der Anthologie, dem Fontane ja die Überschrift „Gedachtes“ geben wollte. Hierher gehören, um noch einmal einige besonders wertvolle hervorzuheben, Gedichte wie Heines „Fragen“ und „Sonnenuntergang“, Lenaus „Die drei Zigeuner“ und „Frage“, ferner Gei- bels „Lied der Spinnerin“ und „Leichter Sinn“ oder Uhlands „Dichtersegen“ sowie Wilhelm Müllers „Die Forelle“.
Zu dieser dritten Gruppe sind auch etliche Gedichte von Platen zu rechnen; von ihnen seien hier die vier Lieder „Würde selbst die Welt zertrümmert“, „Wie werden wir umhergetrieben“, „Oft wenn wir lang im Dunkel schweifen“ und „Sich von den Mensch fern zu halten“ sowie die Ghasele „Es liegt an eines Menschen Schmerz, an eines Menschen Wunde nichts“ angeführt. Die vierte Gruppe setzt sich aus Balladen, Bildern und anderen erzählenden Gedichten zusammen. Fontane wollte ihr die Überschrift „Erzähltes“ geben.
Neben manchem Unbedeutenden und jetzt Vergessenen weist diese Gruppe eine Reihe von lyrisch-epischen Gedichten auf, die wir auch heute noch zu den besten oder doch den guten zählen. Unter ihnen befinden sich Chamissos „Die alte Waschfrau“, Gustav Schwabs „Der Reiter und der Bodensee“ und „Das Gewitter“, Heines „Lorelei“ und „Schlachtfeld bei Hastings“, Mörikes „Schön-Rohtraut“, Platens „Das Grab im Busento“ und schließlich — mit Abstand — Freiligraths „Löwenritt“.
Weniger glücklich war vielleicht die Auswahl aus Uhlands Balladen, die Fontane traf und die nur die folgenden umfaßt: „Der schwarze Ritter“, „König Karls Meerfahrt“, „Taillefer“, „Der Schenk von Limburg“ und „Vom treuen Walter“.
Fontane hatte ein gutes Recht, unter den Balladendichtern auch sich selbst zur Geltung zu bringen. So finden wir denn von ihm — außer vier Feld-
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