herrnlieder — in dieser Anthologie „Archibald Douglas“ 28 , „Schloß Eger“ und „Der Tower-Brand“.
Wenn wir zum Abschluß einen Blick auf die lyrischen Genres werfen, die in dieser Anthologie Vorkommen oder vorherrschen, so drängt sich der Vergleich mit der ersten Sammlung von Fontanes eigenen Gedichten von 1851 auf, ein Vergleich, der Übereinstimmung und Unterschied deutlich werden läßt.
Bleiben wir zunächst bei der Übereinstimmung. Sie liegt, um Fontanes eigenen Ausdruck zu benutzen, in der „Einseitigkeit“, was die Formen betrifft. Auf eine Rezension seiner „Gedichte“ (1851) eingehend, die in einer Berliner Zeitung gestanden hatte, schrieb Fontane am 3. Februar 1851 an Friedrich Witte: „Ich laborire allerdings an einer gewissen Einseitigkeit, und wäre nicht das Dutzend Sprüche da, so würde jene noch mehr hervortreten. Erwägen Sie, wie viele Felder hat die Poesie, und wie wenige bebau’ ich? Sprech’ ich vom Formellen, so finden Sie keine Hexameter, keine Oden- und Hymnenstrophen, keine Sonette, Terzinen und Ottaven, keine spanischen Trochäen, keine Ghaselen, keine Makamen und hundert anderer Spielereien (Ritomell, Triolett, Malaisches u. s. w.) zu gesdhweigen. Das Fehlen dieser Formen ist weder was Zufälliges noch was Gleichgültiges, — mit diesen Formen fehlen gleichzeitig bestimmte Dichtungsarten, denen jene Formen eben zugehörigen, gleichsam angewachsen sind.“ 29 Zwar nicht ganz, aber so ziemlich das Gleiche läßt sich auch vom „Deutschen Dichteralbum“ sagen. Auch hier überwiegen die einfacheren Formen, die komplizierteren und anspruchsvollen bleiben Ausnahmen, aber sie kommen vor. Wir nennen sechs Beispiele. Es sind sowohl die Ode (Platen „Der künftige Held“) wie auch das Sonett (Lingg „Mittagszauber“) und das Ghasel (Platen „Es liegt an eines Menschen Schmerz, an eines Menschen Wunde nichts“) durchaus vertreten, und es begegnen auch Terzinen (Lepel „Ganganelli“) und freie Rhythmen (Heine „Fragen“). Ja, wir finden sogar eine Hymne (W. Müller „Hymne auf den Tod des Raphael Riego“). Aber sonst überwiegt — man möchte sagen — die einfach gebaute vier- und sechszeilige Strophe, wie sie von Lied und Ballade bevorzugt wird.
In einer anderen Hinsicht aber unterscheidet sich die Anthologie gründlich vjon der Sammlung der eigenen Gedichte Fontanes. Fontane meinte in jenem Brief an Witte vom 3. Februar 1851 sagen — oder beklagen? — zu müssen: „Sie finden in meinen Sachen keine Idylle, keine Fabel, keine Legende, kein still beschreibendes, kein Lehrgedicht, es fehlt die Dithyrambe, es fehlt das Naive und Drollige, und vor allen, es fehlen — die Lieder, das Lyrische überhaupt, was der Art sich findet, ist teils dem Wert, theils der Zahl nach (die 3 ersten Sachen sind freilich gut) unbedeutend.“ 30 Gerade das letzte, daß nämlich das „Lied, das Lyrische“ in der Anthologie zu kurz käme, kann man nicht behaupten. Im Gegenteil, das Lied, das Lyrische beherrschen die Anthologie, ja, gerade auf diesem Gebiet liegt die Stärke und der Wert des „Deutschen Dichteralbums“.
Fontane hat also das, was ihm im eigenen Schaffen nicht so recht oder nur selten gelingen wollte, das Lied, das eigentlich lyrische Gedicht, in seiner Anthologie zum beherrschenden Element werden lassen. Das Album be-
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