die Zukunft bestimmend erkennt, beurteilen mag, es ist in ganz besonderem Maße immer wieder der einzelne Mensch, für den Fontane sich interessiert. Sein Augenmerk richtet sich auf das Verhalten des Individuums angesichts der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse oder einfach gegenüber dem Nachbarn, Freund, Ehepartner oder Bediensteten. Die Charakterzeichnung bekommt daher auch besonderes Gewicht.
Die folgende Untersuchung der Namengebung soll im Zusammenhang mit dem angeschnittenen Realismus-Problem bei Fontane gesehen werden und dazu verhelfen, das Spezifische des Fontaneschen Realismus von einer — wie sich zeigen wird — gar nicht so abwegigen Warte her zu erhellen.
II.
Eine sprachgeschichtlich-etymologische Erklärung von Personennamen in der Literatur trägt wenig zum Verständnis der Auswahl und der Funktio- naliät bestimmter Namenstypen bei. Es handelt sich vielmehr um die atmosphärischen Qualitäten der Namen, um die Vorstellungen, die sie auslösen sollen.
Max Tau hat besonders die Landschafts- und Ortsdarstellung bei Fontane untersucht, aber auch schon auf die assoziativen Momente der Personennamen aufmerksam gemacht. Dabei ist zu differenzieren, ob das assoziative Moment „Bestandteil“ der Darstellung ist oder nur „Verdeutlichungsmittel“ wie bei den „redenden“ Namen. 2 Unser Augenmerk gilt zunächst dem ersteren Phänomen.
Wie wichtig Fontane die Beschäftigung mit den Namen war, zeigen uns die vielen Reflexionen, die sich bei Namensnennungen in den Romanen auslösen. Oft handelt es sich um spontane Reaktionen. Als Effi den Namen ihres Verlobten vor ihren Freundinnen erwähnt, lachen diese: „Ach, Effi, wir wollen dich ja nicht beleidigen, und auch den Baron nicht. Instetten sagtest du? Und Geert? So heißt doch hier kein Mensch. Freilich, die adeligen Menschen haben oft so was Komisches“ (XII, S. 11, 12). Wie diese Gedanken ein bezeichnendes Licht auf die unbefangen kindlichen Gefährtinnen Elfis werfen, so charakterisiert sich der alte Briest trefflich selbst in seinem etwas anzüglichen, witzig gemeinten Kommentar bei der Verlobung: „Geert, wenn er nicht irre, habe die Bedeutung von einem schlank aufgeschossenen Stamm, und Effi sei dann also der Efeu, der sich darumzuranken habe“ (XII, S. 19. Der Apotheker Alonzo Gieshübler stattet der jungen Baronin von Instetten seinen ertsen Besuch ab und wird von da an zu einem Freund und Vertrauten der Effi. Gleich ist die Rede von dem „etwas fremdartig klingenden Vornamen“, der zu dem hausbacken deutschen Familiennamen nicht recht paßt. Effi: „Und dann sehe ich doch auch gleich, daß sie anders sind als andere, dafür haben wir Frauen ein scharfes Auge. Vielleicht ist es auch der Name, der in ihrem Falle mitwirkt. Das war immer eine Lieblingsbehauptung unseres alten Pastors Niemeyer; der Name, so liebte er zu sagen, besonders der Taufname, habe was Geheimnisvoll Bestimmendes, und Alonzo Gieshübler, so mein ich, schließt eine ganz neue Welt vor einem auf, ja, fast möchte ich sagen dürfen, Alonzo ist ein romantischer Name, ein Preziosaname (XII, S. 64, 65). Als sie den
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