Heft 
(1982) 34
Seite
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wirklich ein höchst anständiger Mann (VII, S. 99). Unverdorben ist übrigens ein Albino.

Demetz erwähnt als dritte Variation des allegorischen Namens den enig- matischen und zitiert nur den schon besprochenen Namen Koseleger. Das rätselhafte und mystifizierende Element ist allerdings bei Fontane äußerst selten. Es spielt mit herein, wo es Bestandteil einer adligen Liebhaberei ist. Zum Beispiel bei Instettens heimlicher Kultivierung eines Spuks, der zu seinem Hause gehören soll, Oder bei dem oft von den Romanfiguren im Stechlin besprochenen Vornamen der Gräfin Melusine von Barby. Melusine? Hören Sie, Rex, das läßt aber tief blicken. Oder:Es gibt Leute, die sich vor ,Melusine fürchten (XIII, S. 111, 145). Rätselhafte Namen, wenn sie überhaupt auftauchen, werden gleich vom Dichter erklärt:Fontane, der sich über sein zeitgenössisches Familienzeitschriften- Publikum nur selten Illusionen hingibt, fordert nie allzuviel Energie und hält immer eine andere Figur bereit, die das scheinbare Rätsel für den Leser löst. 5

Zu den andeutenden Namen zählen wir mit Demetz die Fälle, in denen Fontane seinen Figuren Namen von berühmten Persönlichkeiten gibt. Da ist zum Beispiel Van der Straaten (LAdultera), ein reicher Handelsmann, den seine Gäste immer wieder fragen, ob er mit dem Juden Vander- straaten aus Gutzkows Uriel Acosta verwandt sei. In Cecile treffen wir einen Gordon und in Frau Jenny Treibei einen Herrn Nelsonfrom Liver­pool.

Der dritte Typ der figurativen Namen, der antithetische, erweist sich als besonders geeignet, die individuellen Charaktere mit ihren heimlichen oder offenbaren Wünschen und Sehnsüchten und in der Enge ihres ihnen von ihrer Herkunft und ihrem Milieu vorgeschriebenen Daseins vorzustellen. Für das Letztere steht der Familienname, den man sich im allgemeinen nicht wählt. Die Vornamen sprechen von den Vorstellungen und Plänen, die die Eltern und damit dann oft die Namensträger selbst hegen. Schon erwähnt wurde der Name des schöngeistig orientierten, schwärme­rischen, aber in der bürgerlichen Begrenztheit seiner Apothekerpraxis lebenden Alonzo Gieshübler in Effi Briest. Er verdankt seinen Vornamen, von dem Effi exaltiert spricht, seiner andalusischen Mutter, die sich in Nordostdeutschland verheiratet hat. Demetz weist darauf hin, daß Fontane hiermanche Figur Thomas Manns vorausnimmt.Da ist die Mischung von Bürger und Künstler; die wesentlichen Implikationen einer spannungs­reichen Herkunft, der norddeutsche Vater, die Mutter aus exotischen süd­ländischen Sphären; nicht zuletzt der antithetische Name, der in einem wechselvollen Reigen von Figuren (von Tonio Kröger bis Adrian Lever­kühn) wiederkehren wird. 0 Der schon behandelte Name Niels Wrschowitz zählt ebenfalls zu dieser Gruppe. Zum Kränzchen bei Professor Schmidt in Frau Jenny Treibei gesellt sich der Oberlehrer Immanuel Schultze. Man denkt an den Philosophen Immanuel Kant und wird durch den so üblichen Familiennamen Schultze ernüchtert.Die onomastische Phantasie, die zum Fluge anhebt, stürzt Hals über Kopf in den Kot und Staub des bathetischen Elements. 7

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