Heft 
(1982) 34
Seite
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Wenden wir uns nach dieser Bestandsaufnahme der Frage nach der Funk­tion derredenden Namen zu. Es wurde schon angedeutet, daß solche Namen dazu dienen, die Figuren kurz und präzise zu charakterisieren. Dabei muß darauf hingewiesen werden, daß es sich oft um Typisierungen handelt, die also durchaus Bestandteil des Fontaneschen Realismus sind. Einschränkend sei aber gleich hervorgehoben, daß es sich bei allen Typen der figurativen Namen ausschließlich um Nebenfiguren handelt.

Demetz beantwortet am Schluß seines Aufsatzeszögernd, wie er sagt, die Frage nach der historischen Entfaltung der Namenskunst Fontanes. Seine Ergebnisse seien kurz referiert: Im Frühwerk Fontanes herrsche der allegorische Typ vor, wie er sich aus dem komischen Roman des 18. Jahr­hunderts herleite. In den Gesellschaftsromanen der frühen und mittleren Periode scheine einlabiles Gleichgewicht des allegorischen, andeutenden und antithetischen Namens zu herrschen. In der späten Epoche ver­schwinde der allegorische Name fast ganz, und andeutende und antithe­tische Namen herrschen vor. 8

Diesem Ergebnis ist zuzustimmen, wenn man nur die in diesem Abschnitt behandelten figurativen Personennamen im Auge hat. Ansonsten führt es zu irrigen Vorstellungen über Fontanes Namengebung. Wenn man sich die Mühe macht, sämtliche in repräsentativen Romanen der drei Perioden vorkommenden Namen zu berücksichtigen, dann sieht das Ergebnis wesent­lich anders aus: In den kleineren Frühwerken Fontanes, die an die Storm- schen Chroniknovellen erinnern und noch gewisse Bindungen an bekannte literarische Muster aufweisen, zum Beispiel Grete Minde (1879) und EUern- klipp (1881), können wir als flgurative Namen anführen: die Pastoren Roggenstroh und Sörgel und vielleicht noch den Puppenspieler Hinter­lacher, d. h. drei von insgesamt ca. 50 vorkommenden oder auch nur er­wähnten Personennamen. Dabei ist übrigens Roggenstroh als Bauer-Uber­name und Sörgel als Übername zu dem Iterativumsörgeln dokumentiert und belegt. In den Kriminalromanen Unterm Birnbaum (1885) und Quitt (1890) sind es Mewissen (vielleicht), Unverdorben, Griepenkerl und der Berliner Rechnungsrat Espe (vielleicht), Valerius Herberger und Monsieur Camille LHermite. Auch hier handelt es sich vorwiegend um wirklich vor­kommende, nicht um erfundene Namen. In beiden Romanen finden wir ins­gesamt rund 100 Personennamen. In Elfi Briest (1894/95) haben wir den Apotheker Gieshübler, den Geheimrat Rummschüttel und den Kandidaten Holzapfel alsredende Namenkombinationen. Insgesamt zählen wir ca. 75 Namen. In den Poggenpuhls (1895/96) finden sich keine figurativen Namen und im Steehlin (1897/98) schließlich zwei oder drei von insgesamt ca. 80 Personennamen. Von einem Vorherrschen der allegorischen und komischen Namen kann also in keinem der Romane Fontanes die Rede sein. Dis heißt nicht, daß wir das Vorhandensein solcher Namen unter­schätzen dürfen. DieKenntnis der Fontaneschen Namensgebung trägt aber wenigerzur Lektüre und Bestimmung der einzelnen Romane im Sinne einer Abgrenzung bei, wie Demetz meint, 9 als zur Beleuchtung der realistischen Gestaltung im ganzen. 10

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