Bei der Wahl der Vornamen verfährt Fontane besonders subtil. Auf einen von der Kritik meist schlecht behandelten Roman sei in diesem Zusammenhang besonders verwiesen — Quitt. Wohl kann er sich mit den beiden Meisterwerken Effi Briest und Der Stechlin an künstlerischer Geschlossenheit und feiner sprachlicher Gestaltung nicht messen. Inhaltlich und in bezug auf die besondere Problematik ist dieses Werk allerdings äußerst aufschlußreich und einmalig: Es handelt sich nämlich um ein frühes Exemplar eines Exilromans. Die Hauptgestalt Lehnert Menz wird zum Mörder an dem Oberförster Opitz. Lehnert, der sich schon immer aus der Enge des „Polizeistaates“, aus der Armseligkeit und Knechterei heraussehnt, seine schlesische Heimat aber über alles liebt, findet Aufnahme in einer Menno- nitengemeinde in Amerika. Uns interessiert in diesem Rahmen nur die Namengebung. Zunächst heißt der Held nicht umsonst Lehnert. Als er sich seinen beiden neuen mennonitischen Gefährten vorstellt, folgt prompt wieder die Fontanesche Namensreflexion:
„Ich heiße Lehnert Menz.“
„Ein hübscher Name“, sagte Toby.
Ruth nickte zustimmend. Aber gleich danach schien sie wieder wie wankend und schwankend zu werden und setzte hinzu:
„Ja, hübsch. Aber was ist Lehnert? Ist es ein Kalendername?“ „Freilich ist er. Und du solltest ihn kennen. Lehnert ist Lienhardt.
,Lienhardt und Gertrud' wirst du doch noch nicht ganz vergessen haben.“ (VII, S. 115)
Tatsächlich wird dann auch der Roman von Pestalozzi im abendlichen Beisammensein der kleinen Gemeinde vorgelesen.
Eine humoristische Abwandlung erfährt der Name des Helden, als er dem Kommandanten von Fort Holmes in einem Brief vorgestellt wird als „Mr. Lionheart Menz“, „Preuße (aus Silesia) von Geburt“ (VII, S. 103).
Der Franzose Camille L’Hermite, ein dem Fatalismus verfallener Atheist und ehemaliger Revolutionär von 1849 und Communarde von 1871 vor Paris, hat ebenfalls Unterschlupf gefunden in der konfessionell bunt gemischten Kolonie. Bezeichnend ist sein Revolutionsname Camille.
Im allgemeinen läßt sich sagen, daß Fontane bei seinen Vornamen nie künstliche und gesuchte Bildungen wählt, daß sie aber doch oft als andeutende Namen angesehen werden können. Selbst der seltene Name eines Hausmädchens in Effi Briest — Afra („übrigens ein wundervoller Name“, XII, S. 254), ist ein tatsächlich existierender Kalenderheiligenname. Der ebenfalls ungewöhnliche Name Effi ist als Koseform durchaus dem unbefangen kindlichen Wesen der jungen Hauptgestalt angemessen.
Es liegt ganz im Sinne der bisher herausgestellten realistischen Namengebung bei Fontane, daß sich auch die seit alters her eingebürgerte ständische Schichtung in den Personennamen widerspiegelt. Verweilen wir zunächst noch bei den Vornamen. „Dienstboten wurden und werden, wo es sich nicht um den modernen amtl. Bereich handelt, in der Regel mit dem Rufnamen genannt.“ 16 Die Magd Effis Roswitha Gellenhagen stellt sich dementsprechend vor: „Ich habe auch einen sonderbaren Namen, das heißt Vornamen. Und einen anderen hat unsereins ja nicht!“ (XII, S. 114). Alle