Dienstboten und Knechte werden in den Romanen Fontanes nur mit einem Namen genannt. Dabei handelt es sich, wie es dem tatsächlichen Sprachgebrauch der Zeit entspricht, nicht um irgendwelche besondere Namen, die nur für diese Gruppe Vorbehalten wären: Regine (Grete Mindc): Grissel, Joost, Christel (Ellernklipp); Ede, Johann (Unterm Birnbaum); Marie, Christine, Maruschka (Quitt); Friedrich, Wilke (Effi Briest); Friederike (Die Poggenpuhls) ; Susan, Jeserich, Martin, Engelke (Der Stechlin).
Bach weist darauf hin, daß sich Schausteller, Sänger und Sängerinnen im 19. Jahrhundert gern italienisch klingende Bühnennamen zugelegt haben. 17 Einen solchen Fall haben wir in der Tochter der Frau Pastorin Trippei, die bei den Gieshüblerschen Abenden als Sängerin auftritt. Sie nennt sich Fräulein Marietta Tripelli.
Die Namen des geistlichen Standes weisen keine spezifischen Merkmale auf. Wir haben gesehen, daß es Fontane besonders im Frühwerk liebte, den Landpfarrern besondere komische Namen zu geben. Selbst hier findet sich gelegentlich ein Name, der zwar bewußt wegen seiner in ihm enthaltenen Anspielung gewählt wurde (Roggenstroh — „leeres Stroh dreschen“; Sörgel — „sich dauernd Bekümmernis machen“), trotzdem aber als wirklicher Name belegt ist, wie in diesen beiden Fällen. Bach macht übrigens darauf aufmerksam, „daß Geistliche in der Gegend ihres Auftretens oft seltene Namen tragen“, was damit zusammenhängt, „daß sie häufig aus anderen, z. T. entlegenen Landschaften kommen.“ 18
Bei den Adelsnamen schließlich herrschen die Wohnstättennamen mit von vor, auf die schon hingewiesen wurde. Daneben finden wir auch das durch Briefadel eingeführte von: von Wohlgemuth, von Raspe (Stechlin). Gelegentlich taucht auch der Typ eines adligen Namens auf, der vom Familiennamen auf die Burg oder das Gut übertragen wurde: Josephine Pogge von Poggenpuhl (Die Poggenpuhls).
V.
Die Wahl der Namen trägt sicher zur eingangs beschriebenen Wirklichkeitsnähe bei, die Theodor Fontane anstrebt und erreicht. „Seit den .Wanderungen“ hat er eine fortwährend verfeinerte Meisterschaft in der Darstellung des Atmosphärischen ausgebildet, die ihn den impressionistischen Malern seiner Zeit verbindet.“ 13 Zu dieser Verfeinerung trägt auch das Hinhorchen auf die Namen bei. Von den frühesten Romanen an waren sie dem Dichter etwas Bedeutendes. Besonders auffällige Namenbildungen scheut Fontane in der Regel. Wenn er welche anwendet, so weniger mit einer prätentiösen als humoristischen Absicht. Von dem tatsächlichen, historischen Namenbestand geht Fontane aus, durchaus im Sinne einer Widerspiegelung des Wirklichen, um sich gelegentlich behutsam der andeutenden Möglichkeiten der Namen zu bedienen.
Fontane hat darüber hinaus auch oft seine eigenen Neigungen den Romanfiguren vererbt, nicht zuletzt die Marotte, sich so willig mit bestimmten Namen und deren .geheimnisvoller Bestimmung“ zu beschäftigen. Sein großer Verehrer Thomas Mann sprach davon, daß er „die ganze Gotteswelt seinem Fontane-Ton überliefert“ habe. Wir schließen uns Thomas Manns Bemerkung an: „und wer möchte es anders wünschen?“ 30