liehe sowie ökonomische Fragen berühren, sondern auch ästhetische und weltanschauliche, gesellschaftliche und politische Aspekte implizieren. Tatsächlich hat man die Herausgabe dieses Briefwechsels, wie auch der Korrespondenz Fontanes mit anderen Partnern (Paul Heyse und Georg Fried- laender), bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts erwogen, sei es auf Wunsch der Korrespondenzpartner selbst oder ihrer Erben, sei es auf Initiative von Friedrich Fontane, dem Sohn und letzten Verleger des Dichters. Alle diese Pläne wurden damals verhindert von Otto Pniower und Paul Schlenther, die eine zweibändige Ausgabe der Briefe Fontanes an dessen Freunde und Bekannte vorbereiteten. Im Potsdamer Fontane-Archiv wird (unter der Signatur W 7) ein Schreiben vom 19. August 1905 aufbewahrt, in dem Schlenther, der Vorsitzende einer Kommission, die über Theodor Fontanes Nachlaß zu verfügen hatte, Friedrich Fontane dringend von „Sonderpublicationen“ abrät, vor allem aber von einer Separatveröffentlichung des Briefwechsels mit Storm. Nach Schlenthers Meinung war „der allgemeine menschliche Gehalt“ der Stormschen Briefe „zu schwach, um ein Buch für sich zu rechtfertigen“. „Storm ... ist geradezu abgeschmackt, turnt immer und ewig auf demselben Reck umher und läßt nur Windelgeruch. Besuchsquälereien und Kleinkram übrig,“ Wenn er, Schlenther, Theodor Storms Sohn (gemeint ist Ernst Storm) wäre, dann ließe er „eine Publica- tion dieser Armseligkeiten“ nicht zu. Auch schien ihm „das buchhändlerische Geschäft ... zweifelhaft“. Er hielt es daher für zweckmäßiger, die Briefe an Storm (die er noch nicht kannte) „dem Husumer Erben zu entreißen und das Wertvolle daran in unsere große Briefsammlung aufzunehmen“. Schlenthers Plan wurde realisiert: Der Ende 1909 (mit der Jahreszahl 1910) von Friedrich Fontane ausgelieferte erste Band der „Briefe Theodor Fontanes. Zweite Sammlung“ — vorangegangen waren 1905 Briefe an die Familie — enthielt 29 Schreiben Fontanes an Storm, freilich gekürzt, redigiert und zum Teil falsch datiert und eingeordnet. Geschlossene Korrespondenzen Fontanes mit einzelnen Partnern sind, mit Ausnahme des 1910 vorgelegten Briefwechsels mit Wilhelm Wolfsohn, in Buchform erst nach Ablauf der (damals dreißigjährigen) Schutzfrist für seine Werke erschienen: 1929 die (unvollständige) Korrespondenz mit Paul Heyse, 1940 die mit Bernhard von Lepel, 1954 schließlich Fontanes Briefe an Georg Friedlaender — um nur das Wichtigste zu nennen. Die zuletzt erwähnte, von Kurt Schreinert besorgte Edition hat nicht wenig dazu beigetragen, daß seit der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre der „alte Fontane“ als „gesellschaftlicher Schriftsteller“ gleichsam neu entdeckt wurde und daß sich gleichzeitig eine Fontane-Forschung etablierte, deren Vertreter sich zum überwiegenden Teil Schreinerts eminenten Kenntnissen sowie dessen exakter und nicht selten mit geradezu kriminalistischem Spürsinn gepaarter Forschungsmethode dankbar verpflichtet wissen. Als bekannt wurde, daß Schreinert auch den Briefwechsel Fontane—Storm herauszugeben beabsichtigte, erwartete man in Fachkreisen den Band mit großer Spannung. Schreinert war es nicht vergönnt, diese Arbeit zu Ende zu führen; er starb im Februar 1967. Das von ihm gesammelte und teilweise bereits aufgearbeitete Material ist der nun vorliegenden Edition offenkundig nicht zugute gekommen.
Heft
(1982) 34
Seite
215
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