im Verlauf von dreißig Jahren, folgt, sind mehrmals wiederholte Ansätze zur Fortsetzung der Kommunikation; ein kontinuierlicher Briefwechsel aber fand nicht mehr statt. Es fällt auf, daß Storm, wenn er es ist, der den Faden wieder anzuknüpfen versucht, damit gewöhnlich eine bestimmte Absicht verbindet, etwa die redaktionelle Durchsicht einer englischen „Immensee“-Übersetzung (1860) oder eine Rezension seiner Gesamtausgabe von seiten Fontanes (1868 und 1876). Fontane dagegen hat, wie übrigens in anderen Fällen auch, gelegentlich spontan zur Feder gegriffen, um seinen Eindruck von einem neuen Stormschen Werk dem Verfasser mitzuteilen. Das schönste Zeugnis dafür ist der (bereits bekannte) Brief aus Thale vom 22. Mai 1868, in dem das Bekenntnis steht: „Ja, lieber Storm, Sie sind und bleiben nun mal mein Lieblingsdichter und ich bin dessen ganz gewiß, Sie haben auf der ganzen weiten Welt keinen größren Verehrer als mich.“
Es ist nicht möglich, hier den Inhalt der Korrespondenz zwischen den beiden ungleichartigen deutschen Schriftstellern zu rekapitulieren oder gar deren widerspruchsvolles, von Achtung, ja Verehrung wie von Distanz und essentieller Kritik gleichermaßen bestimmtes Verhältnis zu beschreiben. Wollte man dies versuchen, dann müßte man sehr vieles von dem nachholen, was Steiner im Kommentar zu seiner Ausgabe ausgespart oder vernachlässigt hat. Die Briefe, besonders die während der ersten zweieinhalb Jahre gewechselten, werden sich allerdings nur dem ganz erschließen, der mit Storms und vor allem mit Fontanes Lebensumständen gut vertraut ist. Wenn Steiner in seiner knappen „Einführung“ in den Briefwechsel schreibt, Fontanes finanzielle Verhältnisse seien in der Zeit der beginnenden Korrespondenz „ebenso unsicher“ gewesen „wie diejenigen Storms“ (S. 11), so trifft das nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung (oder Kenntnis) der jeweiligen Umstände zu. Gewiß war auch Storm, besonders während seiner Tätigkeit am Potsdamer Kreisgericht seit Ende 1853, nicht eben auf Rosen gebettet; doch sorgte der gutsituierte Vater in Husum stets dafür, daß der Sohn und dessen Familie nie im buchstäblichen Sinne Not zu leiden hatten. Fontanes Fall aber war ganz anders geartet: Als er Storm kennenlernte und die Korrespondenz mit ihm begann, war er keineswegs, wie Steiner meint (S. 11), „freier Schriftsteller und Journalist“, sondern gerade wieder in der preußischen Zentralstelle für Preßangelegenheiten angestellt worden — freilich täglich der abermaligen Kündigung gewärtig. Die frühen fünfziger Jahre waren wohl die schwerste Zeit im Leben Theodor Fontanes — eine Zeit, in der er einerseits einer Tätigkeit nachgehen mußte, die ihm eigentlich contre coeur war, ja, die er sogar als „Lüge, Verrat, Gemeinheit“ empfunden hat (an Lepel, 3. November 1851) und bei der er andererseits immer wieder Verdächtigungen hinsichtlich seiner Loyalität und nachfolgenden Repressalien ausgesetzt war. Wenn er auch vor Storm den inneren Zwiespalt — den dieser wohl schwerlich ganz hätte begreifen können — zu überspielen wußte, seine trostlose äußere Existenz vermochte er nicht zu verbergen. Storm hat geahnt, daß manches im Verhalten Fontanes auf dessen „kümmerliche Lebensverhältnisse“ zurückzuführen war, wenngleich seine Vermutung (im Brief vom 24. Juli 1854) auf den konkreten Fall gewiß nicht zutraf. Wer aber die Lebensumstände eines anderen als kümmerlich empfindet, der ist zweifellos selbst