besser gestellt, und tatsächlich resultiert Storms Unbehagen weniger aus materiellem Mangel als aus dem Verlust der Heimat, in der allein er sich zufrieden und geborgen fühlen konnte. Fontane hat das bald erkannt. Jahrzehnte später wird er von Storms „lokalpatriotischer Husumerei“ sprechen, die er als „Provinzialsimpelei“ empfand.
Was das Verhältnis Fontane-Storm über die persönlichen und literarischen Beziehungen hinaus so interessant und wichtig macht, ist die Tatsache, daß Fontane, spätestens seit seinem letzten England-Auf enthalt, Storm mehr und mehr als einen Typus aufgefaßt hat, mit dem er sich während seines ganzen weiteren Lebens immer wieder auseinandersetzte. Ein Mensch „im Banne seiner lyrischen Natur“ : so stellte sich ihm, wahrscheinlich kurz nach Storms Tod, dieser Typus dar. Für den Fontane der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre aber bedeutete die Übersiedlung von Berlin nach London zugleich die Überwindung dessen, was er „das Theodor Stormsche“ nannte. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang sein Brief an Wilhelm von Merckel vom 3. Juni 1858, in dem er davon abrät, den Dichter Otto Roquette in den „Rütli“-Verein aufzunehmen: „Er hat sich in seine kleine Welt eingesponnen und von der großen Welt da draußen weniger Notiz genommen, als recht und billig wäre. ... Es ist wahr, daß solche Einseitigkeit für die lyrische Produktion gemeinhin förderlich ist und daß reizende Sachen, wie sie Roquette und namentlich auch unser Storm geschrieben haben, nie zur Welt gekommen wären, wenn sie jeden Tag die Times gelesen und sich um nationalökonomische Fragen den Kopf zerbrochen hätten... “ Und am 20. September des Jahres schrieb er an denselben Adressaten: „Ich bin nicht zufrieden hier mit meinem Leben und wünschte tausenderlei anders, das aber segne ich und stimmt mich zum herzlichsten Dank gegen mein Geschick, daß ich aus dem heraus bin, was ich mit einem Wort das ,Theodor-Stormsche‘ nennen möchte, aus dem Wahn, daß Husum oder Heiligenstadt oder meiner Großmutter alter Uhrkasten die Welt sei. Es steckt Poesie darin, aber noch viel mehr Selbstsucht und Beschränktheit. Die Erkenntnis bezahlt man teuer, aber zuletzt doch nie zu teuer.“
Die Beispiele mögen genügen, um deutlich zu machen, daß der Briefwechsel zwischen Fontane und Storm der Ergänzung durch weitere Zeugnisse bedarf. Wir wollen hier keine Mutmaßungen darüber anstellen, was Steiner veranlaßt hat, diese Möglichkeit ungenutzt zu lassen, warum er in seinem Kommentar eine — auch im Vergleich mit den übrigen Bänden der Reihe - geradezu asketische Abstinenz beim Nachweis übergreifender Bezüge übt. Worin immer die Ursachen liegen, eines bleibt gleichwohl völlig unverständlich: daß nämlich nicht einmal auf jene Aufzeichnungen Fontanes über Storm aus dem Jahre 1888 Bezug genommen wird, die Hermann Fricke unter dem Titel „Erinnerungen an Theodor Storm von Theodor Fontane. Ein nicht vollendeter Nekrolog“ im „Jahrbuch für bran- denburgische Landesgeschichte“ erstmals veröffentlicht hat; denn hier ist Fontane wiederholt auf seine Korrespondenz mit Storm direkt und detailliert eingegangen.
Bei der Beurteilung des Anmerkungsapparats - er umfaßt, zusammen mit den Registern, knapp siebzig Seiten gegenüber 120 Seiten Brieftext —