könnte erweiternd sagen, es sind Versuche, Literatur neu zu lesen, Lesarten von Texten. Ziel des ,Lesens 1 M.s ist scheinbar Selbstverständliches, zum allgemeinen Kulturgut verfestigte Auffassungen von literarischen Werken wieder in Bewegung zu setzen und so neu hinterfragen zu können. Wer also herkömmliche Interpretations- und Analyseformen sowie ein direktes Anschließen an bisherige literaturwsisenschaftliche Forschungen erwartet, wird sich von diesem Buch enttäuscht sehen. Überhaupt geht es M. nicht vorrangig um die Herausarbeitung abstrahierter, mehr oder minder gesicherter Resultate im Sinne literaturästhetischer Werturteile, literatift’- geschichtlicher Einordnungen oder gar um die Aufdeckung eines irgendwo und irgendwie im Text manifesten Sinns oder Gehalts. Der Autor will vielmehr in teils latenter, teil expliziter Abgrenzung und Kritik gegenüber einer für ihn oft nur oberflächlich arbeitenden Literaturwissenschaft „das Vorgegebene so lange“ abtasten, „bis es das Anlitz zu ändern gezwungen ist, das es dem Unbefangenen zur Schau stellt“. (S. 151) Er möchte so die traditionelle und oft ebenso vereinfachende wie imaginierende Darstellung erschüttern, daß eine Herausarbeitung „substantialistischer Zentren“ (S. 68) dem Roman schlechthin adäquat wäre, „mögen sie nun den Grund bilden, auf dem alles Einzelne aufruht, oder sich selbstmächtig darüber erheben“ (S. 68). Stattdessen wird die These zu untermauern versucht, den Roman als ein „strukturierte(s) Ganze(s)“ aufzufassen, „das ohne Übergewicht eines sinnstiftenden Zentrums relativ autonome Teile und Ebenen, ..., so koexistieren läßt, das anstelle der prästabilierten Stimmigkeit ein Feld von Spannungen tritt“ (S. 68). M. begibt sich nicht erst auf den nach seiner Ansicht irrigen Weg der Suche nach einer sinntragenden „verborgene(n) Mitte“ (S. 66) der Romane, sondern versucht, sie gleichsam zu dekonstru- ieren, die im Text selbst liegenden Widersprüche, Dissonanzen, Lücken, kurz dessen Spannungsgefüge aufzuspüren.
Die dabei angewandte Methode ist auf den ersten Blick einfach und frappant zugleich. Fürs erste von möglichen Tiefendimensionen abrückend, sollen „einzelne Sätze so .buchstäblich“ 1 (S. 275) gelesen werden, daß sie aus dem Kontext der gesetzten und intendierten Probleme herausfallen, um „schließlich ein Arrangement zu finden, in dem sie sich neu zu behaupten“ (S. 275) vermögen. Mit fortschreitender Lektüre aber wird offenbar, daß es sich um ein komplizierteres Verfahren handelt als in dem Ausdruck vom .buchstäblich lesen 1 angedeutet scheint.
Im Kapitel „Nachtrag“ erläutert M. seine Methode, die weitgehend auf der von Louis Althusser entworfenen „Theorie des Lesens“ (S. 274) aufbaut, näher. In Anlehnung an Althusser bekennt sich M. zu einer sogenannten ,„sehende(n)‘ Lektüre“ (S.274). Er schreibt: „Eine .sehende' Lektüre hat ... nicht einfach Lücken, auf der Ebene der Sicht des Textes, aufzufüllen, sondern („symptomal“) das Verborgene in dem gelesenen Text zu enthüllen und es auf einen anderen Text zu beziehen, der — in notwendiger Abwesenheit — in dem ersten Text präsent ist.“ (S. 274) Weniger ein Inneres, das Wesen soll „durch die Oberfläche hindurch“ anvisiert werden, sondern mittels einer „analysierenden Dekonstruktion“ des Textes ein „abwesender Text“ entstehen, „der in neuer Verteilung der Zeichen