(S. 275) das oben erwähnte ,Feld von Spannungen“ offenbart. Dieses aus einer Vielzahl von Detailuntersuchungen entstehende Feld bzw. Netz von Spannungen erweist sich nun aber als so heterogenes, auswucherndes und demzufolge kaum mehr handhabbares Gefüge, daß M. meint, seine Methodik um einen zweiten Schritt ergänzen zu müssen. Einem Salto mortale gleich ist er darum bemüht, die bisherige „Analytik letztlich in eine vorwärtstreibende Interpretation Umschlagen zu lassen; also: den manifesten Text als überdimensioniertes Symbol im Spannungsfeld einer Archäologie und einer Teleologie zugleich zu lesen“ (S. 276).
Das, was die Analyse abzuwehren versuchte, kommt nun, indem M. das Ganze z. B. nachträglich an den Begriff des ,Utopischen“ anzubinden versucht und Verallgemeinerndes an die Lektüre anschließt, wenngleich auch anders konstituiert, wieder in die Auseinandersetzung hinein. Mit diesem zweiten Methodeschritt hat es dann auch so seine Schwierigkeiten. In meist sehr knapper Form (bei Fontane nur einige Sätze bzw. Abschnitte; bei Keller vor allem das letzte Kapitel) gerät dieses Vorhaben, die Strin- genz der analysierenden Lektüre doch häufig verlassend, nicht zu der gedachten und gewünschten, mit „Re-Lektüre“ (S. 278) beschriebenen Verwirklichung. Hier zeigt sich meines Erachtens auch eine gewisse Fragwürdigkeit eines überanstrengten, seine eigenen Grenzen übersteigenden Verfahrens. Die so gezeigtigten Ergebnisse bleiben in vielem nicht gesichert genug.
Ein anderes Problem liegt schon im Selbstverständnis der Methode. Vom Ansatz her beinhaltet die Methode des .buchstäblichen Lesens“ scheinbar natürlich ein immanentes Verfahren. Das heißt, „Sprache und Struktur des Werks müssen die einzige Grundlage für Belege im strengeren Sinne abgeben“ (S. 151). Auf Textäußeres, etwa Historisches, Biographisches, Werkzusammenhänge, poetische Programmatik u. ä. wurde bewußt Verzicht geleistet. Das ist und bleibt natürlich eine wesentliche Einschränkung, und obwohl viele neue, anregende Detailerkenntnisse und teilweise verblüffende Fragestellungen zutage gefördert werden, bedarf es nach meiner Ansicht unbedingt einer Weiterführung im Sinne einer Öffnung nach außen, um den Texten in ihrem weiten inneren wie äußeren Bezugssystem gerecht zu werden. Andererseits soll hier aber mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß M. mit seinem strengen und gründlichen Leseverfahren sozusagen den Finger auf einen wunden Punkt vieler bürgerlicher wie auch marxistischer Literaturinterpretationen legt und hier durchaus notwendige und richtige Impulse zu einem gewissen Umdenken zu geben vermag. Rückt doch ins Bewußtsein, daß oft allzu arglos und eilfertig vom .eigentlichen Text' abstrahiert wird, Widerständiges bagatellisiert und oft der Text einfach zur Exemplifikation einer bestimmten Idee des Autors oder gar des Interpreten degradiert wird, und so seine Rückkehr zur sorgfältigen Textlektüre als entscheidender Prämisse jeglicher literaturwissen- schaftlicher Arbeit wieder als unabdingbar anzeigt.
M. wählt als Untersuchungsgegenstand drei Werke des sogenannten .poetischen Realismus“, sich der Fragwürdigkeit und Problematik dieses Begriffs wohl bewußt (siehe S. 7). Er versucht, die Spannweite dieser Kategorie