und des Autors selbst wieder auf. Die von Immermann intendierte Posi- tivität zeigt sich so als keineswegs schon Realisiertes und wahrscheinlich auch gar nicht Realisierbares: als „bedrängte Positivität“. Inwieweit dies für eine Neubewertung des „Münchhausen“-Romans und Immermanns einen fruchtbaren Ansatz bietet, müßte eine größer angelegte Untersuchung erbringen. Auf jeden Fall aber kann an dem Ansatzpunkt, den M. hier liefert, in zukünftigen Immermann-Arbeiten wohl nicht vorbeigegangen werden.
Im Aufsatz zu Fontanes „Irrungen Wirrungen“ versucht M., in scharfer Polemik gegenüber Interpretationen jüngster Fontane-Sekundärliteratur (Schillemeit, Preisendanz, Müller-Seidel) nachzuweisen, „wie sehr der Text durch die Absenz einheitlicher Sinngebung geprägt ist“ (S. 95). Das gelingt M. recht schlüssig, indem er die permanente Vieldeutigkeit statt eindeutiger Aussage, die Lücke statt stetiger Erhellung, die Verhüllung statt Bloßstellung, die Andeutung statt klarer Rede und Handlung in der Romantechnik und Textgestaltung Fontanes evident werden läßt. „Entschiedene Sachen gibt es bei Fontane ... nicht mehr; nichts, das abgetan werden könnte.“ (S. 82) Handlung im eigentlichen Sinne findet so auch kaum noch statt, ein „Prozeß irgendwelcher Art“ (S. 97) läuft nicht ab, die Äußerungen zersetzen sich auf ein nicht mehr einsehbares, verstelltes Inneres hin. Durch die immer wiederkehrende Technik der substituierenden Wiederholung verbergen sich die Figuren vor sich selbst und dem Leser.
Voran Botho und Lene gewähren kaum Einblicke in ihre wirkliche Vorstellungswelt. Ihre Liebe wird von ihnen nach außen hin als ,rein‘ und ,wahr‘ dargestellt, entblößt aber bald ihren narzistischen Charakter, indem von M. verifiziert wird, daß jeder im anderen nur die eigenen Vorstellungen vom Partner liebt (siehe Bothos Charakteristik Lenes) und sich vom anderen bestimmt geliebt glaubt. Das Liebesglück wird beteuert, um seine Abwesenheit zu verdecken.
Fontane ist mit seinem Roman nach M.s Einschätzung an der Grenze sowohl des poetischen Realismus als auch der Positivitätsgestaltung angelangt. Sie reduziert sich hier auf den versöhnlichen Schein, den Fontane erzeugt, indem er alles in eine scheinbare Ordnung (die aber erhebliche Lücken aufweist, wie M. zeigt) fügt, dem Erschrecklichen das Zeichen nimmt (siehe S. 135) und durch Auslassen, Andeuten, Zweideutigmachen im Roman vieles ungesagt, doch auch „nicht ganz versagt“ bleibt „und im Rest den Schein aufgehen läßt, alles sei besser gewesen“ (S. 120): M. rückt Fontanes „Irrungen Wirrungen“ so näher vom Entwicklungsroman zum Desillusionierungsroman, Fontane wohl überhaupt vom 19. Jahrhundert zur Moderne.
Bei seiner Auseinandersetzung mit Kellers Roman „Der grüne Heinrich“ stützt sich M. auf die Erstfassung von 1854/55, „da sie mehr als die retou- chierte zweite (1879/80) über den Schein des Erfüllten verrät“ (S. 9). Sie, die „brüchigere Erstfassung“ (S. 150), kommt dem Autor in seinem Anliegen entgegen, vor allem Unabgegoltenes zu akzentuieren und „Einheit, weniger als etwas Gegebenes denn als ein Problem zu verstehen“ (S. 150). Stärker als in den beiden vorangestellten Arbeiten wird die Analyse der ,buch-
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