stäblichen 1 Lektüre unterstützt durch das Hinzutreten „methodischer Reflexionen“ (S. 149) eines fremden Bereichs: der Psychoanalyse. (Der Immer- mann-Aufsatz lehnte sich an W. Benjamins Schrift „Goethes Wahlverwandtschaften“ an; der Fontane-Aufsatz wurde mitgeprägt durch theoretische Einflüsse von Benjamin, Freud, Lukäcs, Marx und Nietzsche.) Die Anwendung psychoanalytischer Verfahren betrachtet M. nicht als ein „Aufpfropfen textfeindlicher Modelle“ (S. 149), sondern sie soll vielmehr helfen, den Text aufzubrechen und „Spannungen des unbewältigten Vergangenen“ (S. 242) im Werk ausfindig zu machen. Indem der Autor so versucht, das Unbewußte des Textes aufzuspüren und sich dazu einiger Hypothesen Freuds bedient, bleiben viele Ergebnisse im Spekulativen befangen, unabgeklärt, Fragen können weniger beantwortet als gestellt werden. Prononciert werden Formen der ,Urbegierde‘ beim Romanhelden, der Mutter- bzw. Vaterkomplex Heinrichs sowie seine erotischen Neurosen herausgearbeitet. Die Ergebnisse ähneln, wenn auch teilweise anders akzentuiert, denen von Adolf Muschg in seinem Buch über Gottfried Keller von 1977. (Der Mutter-Komplex, bei Muschg vorrangig, weicht bei M. hinter dem Primat des Vater-Komplexes zurück.) Die Gestalt des Grünen Heinrich reduziert sich letztlich auf eine „Ökonomie der Begierde“ (S. 242), auf Triebhaftes, Verborgenes, das in wandelnder Form („Wiederholungsphänomene“, S. 256) immer wieder seit seiner Kindheit hervorbricht, ohne dem Helden so eine echte Entwicklung zu ermöglichen. Demzufolge ist auch die Einordnung des Romans als Entwicklungs- und Bildungsroman für M. nicht mehr möglich. Den scheinbaren Wandlungen Heinrichs wird als einem „Immerschön nachgesprüt, dessen Kehrseite . .. das Immerneu“ darstellt, „das den Wiederholungszwang [Begierde] dem Utopischen verbindet“ (S. 259). Das ,Positive 1 erscheint bei Keller in Form des Utopischen, gegenüber Immermann nur noch und gegenüber Fontane immerhin noch in der Hoffnung auf Zukünftiges möglich. (Siehe Abschnitt 6 „Hoffnung“.)
Will man am Ende ein Fazit ziehen, sollte neben dem bereits kritisch wie positiv Angemerkten noch einmal folgendes hervorgehoben werden.
Die drei Aufsätze dieses Buches stellen zwar nach M.s Aussagen in sich geschlossene und selbständige Untersuchungen dar, doch ist dies zumindest in einem wesentlichen Punkt zu relativieren. Denn natürlich bergen sowohl schon die Auswahl der drei Romane wie die Analyseschwerpunkte selbst ein übergreifendes und verbindendes Moment. Als ein roter Faden, der zwar nicht immer offen zutage liegt, zieht sich durch alle drei Aufsätze die Frage nach der Positivitätsgestaltung im jeweiligen Text. Der im Titel bezeichnete Begriff .Bedrängte Positivität“ weist dabei recht treffend auf die von M. eigentlich angestrebte Problematik voraus, nämlich den Gegensatz zwischen der vom Dichter gewollten und intendierten Positivitäts- bzw. Humanitätsgestaltung und dann im Text wirklich realisierten; oder anders: den Widerspruch zwischen Schein und Sein, der sich in den Romantexten offenbart. Damit schneidet M. ein zentrales Problem der Realismusentwicklung im Romanschaffen des 19. Jahrhunderts (obwohl bei M. nie explizit so zum Ausdruck gebracht): Auf welche Weise, durch welche Spe-