platz“ konnte nicht romantischer gewählt sein. Petkams Berg, ein Hügel, unmittelbar am Ufer der Spree gelegen, einige Kilometer nördlich von Lübben. Die Fahrt von Lübben her mit dem Kahn wäre ein reiner Genuß gewesen. Wir Wandervögel freilich wählten, immer am Ufer entlang, den Fußweg, was unter normalen Verhältnissen sogar noch reizvoller gewesen wäre. Doch da war das Sommerhochwasser des Jahres 1926, das schon den Hinweg beschwerlich machte. Am nächsten Tag aber standen wir vor einer reißenden, brodelnden Wasserfläche, durch die wir uns vorsichtig, mühsam watend, einen Weg zurück nach Lübben suchen mußten.
Unter den Watenden der Sohn des Lübbener Stadtförsters, der Wallen- steinsche Reiter vom Vortage, Joachim Schobeß.
Lübben, ein Städtchen von rund achttausend Einwohnern, lag zwischen Ober- und Unterspreewald. Ein alter Reiseführer nennt es „Jägerstadt“, eine Erinnerung an das bis Ende des 1. Weltkrieges hier stationierte „Brandenburgische Jägerbataillon Nr. 3 ,f . Es gab wenig Industrie am Ort, aber dafür nannte sich Lübben stolz und selbstbewußt „Hauptstadt des Markgraftums Niederlausitz“.
Im Osten der Stadt, jenseits des Gubener Tores, lag die Stadtförsterei, ein idyllisches Häuschen, mit seinem weit heruntergezogenen Dach in jedjs Märchenbuch passend.
Wir hatten es damals überhaupt mit der Literatur: Hermann Löns unser täglich Brot, Schiller wie gehabt, und nun kamen wir auf Hans Sachs.
War es nun bei einer Plauderstunde im engeren Kreis in der Stadtförsterei oder bei einem Spaziergang im Hain, einem der prächtigsten Naturdenkmale der Niederlausitz, kurzum, wir_gründeten ein Quartett und zogen damit, vom Kreisjugendpfleger unterstützt, durch Städte und Dörfer im Lübbener Kreisgebiet. Das Programm umfaßte einen Schwank von Hans Sachs und vierstimmig zur Laute gesungene Lieder. Erster Baß: Der „Wallensteiner“ Joachim Schobeß.
Das Liedgut, das wir darboten, war eine Auswahl dessen, was wir auf unseren Heimabenden zu singen pflegten, damals Allgemeingut der deutschen Jugendbewegung. Der „Zupfgeigenhansl“ stand dabei an erster Stelle, aber auch „Des Knaben Wunderhorn“ war noch nicht vergessen. Neben Volksliedern eine Fülle von Texten aus der großen Literatur. Neben Hoffmann von Fallersleben, Chamisso und Eichendorff standen in unserem Repertoire Lieder von Liliencron, Klaus Groth und Uhland. Besonderer Beliebtheit erfreute sich das Lied „Die drei Zigeuner“ von Lenau.
Eigenartig die Tatsache, daß ein Teil unseres Liedgutes in Landsknechtsliedern bestand, mit Begeisterung von uns gesungen, die wir so gar nicht kriegerisch gesonnen waren. Aber bei „Des Kaisers Reiterei“ und bei dem „Wiegenlied aus dem Dreißigjährigen Krieg“ von Ricarda Huch ging uns das Herz auf.
Vielleicht lagen die Aufführung von „Wallensteins Lager“, die Vorliebe für Landsknechtslieder und die Wertschätzung von Hermann Löns mit seinem „Wehrwolf“ auf der gleichen Linie .. .
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