Lübben erfreute sich damals eines gewissen literarischen Rufes. Hier hatte der Barockdichter Pari Gerhardt die letzten Jahre seines Lebens verbracht. Man zeigte sich noch das Haus, in dem er gewohnt hatte, am Rande des Marktes stand sein Denkmal, und in der Paul-Gerhardt-Kirche hing ein fast lebensgroßes Bild von ihm, dessen Kopie uns Schüler jeden Montag in der Aula des Gymnasiums grüßte, wenn wir uns zur Morgenandacht versammelten. Natürlich hieß auch die Anstalt, ein Realprogymnasium, „Paul-Gerhardt-Schule“.
Die Stadtväter taten noch ein übriges, um den literarischen Ruhm unseres Städtchens zu mehren. Sie hatten in der Literaturgeschichte den Dichter Ernst Christoph von Houwald entdeckt, nach dem flugs eine Straße, der Houwalddamm, benannt wurde. Einem Ondit zufolge soll sich auch die Handlung der Lessingschen „Minna von Barnhelm“ in Lübben zugetragen haben, und zwar im „Gasthaus zu den drei Kronen“. Übrigens hat auch Joachim Schobeß darüber geschrieben.
An dieser Stelle bedarf es eines Hinweises auf ein anderes Faktum:
Da tagten etwa von Zeit zu Zeit im „Landhaus“ die „Stände des Markgraftums Niederlausitz“, eine aus dem Mittelalter stammende Versammlung und in sächsischer Zeit von großer Bedeutung, eben die „Stände“, um die es in der „Minna von Barnhelm“ ging (von Tellheim bei Lessing: „Die Stände gaben mir ihren Wechsel, und diesen wollte ich bei Zeichnung des Friedens unter die ... Schulden eintragen lassen.“). Wahrscheinlich hatte Lessing die Episode — so Schobeß — von seinem Freund und Verleger Voß, dem Herausgeber der „Vossischen Zeitung“, der ein Lübbener Kind war.
Es finden sich noch andere Reminiszenzen an Lübbens sächsische Vergangenheit. Am „Haintor“ steht eine alte, inzwischen restaurierte Postsäule aus jenen sächsischen Tagen, und bei festlichen Gelegenheiten pflegte man die Häuser mit blau-gelben Fahnen zu schmücken, den Landesfarben der' Niederlausitz. Auf dem Alten Friedhof ruhte der letzte Kommandeur des in Lübben garnisonierenden sächsischen Chevauleger-Regiments „Prinz Albrecht“, der das Regiment im Rußlandfeldzug 1812 geführt hatte. Von diesem Regiment stammt übrigens auch der Name der „Reutergasse“. Und noch eine winzige Einzelheit: Auf unserm Grundstück befand sich als Abdeckung eines Kellerfensters eine etwa einen Meter im Quadrat messende eiserne Grabplatte eines Prinzen von Sachsen-Merseburg. So gesehen waren also Paul Gerhardt und der Herr von Houwald keine preußischen, sondern sächsische Poeten. Der Heimatforscher Robert Daenicke und ein Verwandter unseres Jubilars, Prof. Dr. Paul Richter, der Verwalter des in den letzten Kriegstagen leider zerstörten Heimatmuseums, haben in vielen Veröffentlichungen auf die sächsische Vergangenheit unserer Stadt hingewiesen.
Dann, im Jahre 1926, gab es eine entscheidende Wende im Leben von Joachim Schobeß. Was wir anno 1926 gespielt hatten, nämlich die Identifikation mit Wallensteins Kürassieren, wurde harte Realität. Er trat als Soldat beim Infanterie-Regiment 8 ein, bei einer Kompanie, deren Tradition auf die Befreiungskriege hinwies, und zwar, wir erinnern uns des
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