revolutionäre Tradition haben Fontanes Schriftstellerei und Dichtung nachhaltig beeinflußt. Seine Ansichten über dieses entscheidende Ereignis, das ein neues Zeitalter einleitet, ändern sich vielfach, je nach den Begleitumständen seiner sukzessiven Stellungnahmen. Um hier klar zu sehen, empfiehlt es sich, eine Äußerung aus dem Jahre 1863 heranzuziehen, der eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.
Im zweiten Band der Wanderungen durch die Mark Brandenburg, der dem Oderland gewidmet ist, steht, mitten im Kapitel Schloß Friedersdorf, der bedeutsame, etwa zwanzig Seiten lange Abschnitt über Friedrich August Ludwig von der Marwitz, den Junker, den Offizier; dieser war seit 1811 Führer der feudalaristokratischen Opposition gegen die Reformpolitik des Staatskanzlers Hardenberg, welche nach dem Grundsatz der „Herstellung möglichster Freiheit und Gleichheit“ die Abschaffung gewisser Adelsprivilegien zum Ziel hatte. Zu Beginn dieses Abschnittes, den Fontane, trotz aller seiner Bemühungen um Ausgeglichenheit, dennoch zu einer Laudatio seines „Lieblings“ Marwitz gestaltet hat, findet sich folgende Feststellung, die hier wenigstens teilweise zitiert sei:
„Erst von Marwitz’ Zeiten ab existierte in Preußen ein politischer Meinungskampf. Das achtzehnte Jahrhundert mit seinem rocher de bronze hatte hierlands überhaupt keinen Widerstand gekannt. (...) Ein Ideenkampf auf politischem Gebiet lag jenen Tagen fern. Das geistige Leben der Reformationszeit und der ihr folgenden Epoche bewegte sich innerhalb der Kirche. Erst die französische Revolution schuf politisch-freiheitliche Gedanken, und aus der Auflehnung gegen den siegreichen Strom derselben, aus dem ernsten Unternehmen, Idee mit Idee und geistige Dinge mit geistigen Waffen bekämpfen zu wollen, gingen wahrhafte politische Parteien und ein wirkliches politisches Leben hervor.“
Charakteristisch an Fontanes Meinungsäußerung ist, daß er als tiefgreifende innenpolitische Folge der französischen Revolution in Preußen die Entstehung einer rückschrittlichen Bewegung konstatiert. Mit der Bezeichnung „politische Parteien“ nimmt er bereits das Jahr 1848 vorweg, das Gründungsdatum der ältesten preußischen, nämlich der konservativen Parteiorganisation. Ganz anders, nämlich in ihren geistesgeschichtlichen Ursprüngen und in ihrer welthistorischen Dimension, erscheint die große Umwälzung Frankreichs in einer späteren Äußerung Fontanes. In den unter dem Titel Kriegsgefangen 1871 erschienenen Erinnerungen an seinen Zwangsaufenthalt in Frankreich (Oktober bis November 1870) erklärte er, die französische Revolution (im Gegensatz zu den Massenbewegungen seit Ausrufung der Dritten Republik am 4. September 1870) sei „ehrlich und gründlich“ gewesen. 1 Diese Meinung wird durch eine deutliche Anspielung auf Jean-Jacques Rousseau erhärtet, aus dessen politischer Philosophie die Revolution hervorgegangen ist. Fontane dachte dabei an die Schriften, die zündend gewirkt hatten, und wohl besonders an Rousseaus am meisten verbreitetes revolutionäres Traktat, den Discours sur l’origine et les fondements de Vinegalite parmi les hommes, 2 in dem die Entwicklung der Menschheit von einem ursprünglich glücklichen Gesell-
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