Revolution, genau wie einst (1792) zu einer Invasion Deutschlands führen würde, war auch ein solcher Analogieschluß des Königs und seiner Umgebung. Daher der (übrigens fehlgeschlagene) Plan der preußischen Machthaber, einen neuen Koalitionskrieg der Mächte gegen die französische Republik zu entfesseln.
Fontane dagegen bezog sich damals in einem ganz anderen Sinne auf die erste, die „ehrliche“ französische Revolution. Über ihn als Mitkämpfer, als „Achtundvierziger“, ist bereits alles ausgesagt worden; 11 hingewiesen sei jedoch ganz besonders in diesem Zusammenhang auf einen seiner Artikel in der Zeitungshalle, der am 13. September 1848 erschienen ist; darin findet sich jene enthusiastische Lobrede auf eine heldenhafte Episode der Revolutionskriege, die hier zitiert sei: „Kennt Ihr die Brücke von Arcole? Drüben die Stillstandmänner und ihre Kanonen, hier der Fortschritt und seine Begeisterung. Gleich jenem volksentstammten Korsen ergreift das Volk die Fahne der neuen Zeit, und über Leichen und Trümmer hin stürmt es unaufhaltsam zum Siege!“ 12
Der oft in Kunst und Dichtung dargestellte Angriff auf die Österreicher, bei dem am 17. November 1792 Napoleon Bonaparte die Fahne ergriff und, unter Trommelwirbel, an der Spitze seiner Grenadiere im Laufschritt die von feindlicher Artillerie beschossene Brücke von Arcole überquerte, ist tief im französischen Nationalbewußtsein befestigt. Es war der beispielhafte Sieg einer Revolutionsarmee über die Truppen des Heiligen Römischen Reiches, in dessen Herrschergestalt, Kaiser Franz von Habsburg, Konterrevolution und Unterdrückung sich verkörperten. Die Befreiung des norditalienischen Volkes vom österreichischen Joch und der glänzende Friedensschluß von Campo Formio waren die Folgen dieses Ereignisses. Der erst siebenundzwanzig Jahre alte General Bonaparte hatte seine schlecht ausgerüsteten Soldaten durch feurige, vom Pathos der Revolution getragene Ansprachen, durch seine geniale Führung und durch seinen persönlichen Einsatz entflammt. Fontane konnte kein besseres Beispiel wählen, um, im Berlin des Jahres 1848, die Männer des Fortschritts zum mutigen Kampf gegen die Reaktion anzufeuern.
So geht bei Fontane die Reflexion über die miterlebte Umwälzung letzten Endes zurück auf das Modell aller Revolutionen, das Frankreich 1789 geliefert hat, also auf einen Volksaufstand, der nicht, wie 1848, niedergeschlagen wurde, sondern siegreich blieb und die Gesellschaft von Grund auf verändert hat. Der berühmte Satz aus Fontanes 1898 geschriebenem Revolutionskapitel lautet: „Ein aufständisches Volk, und wenn es nichts hat als seine nackten Hände, (ist) schließlich doch notwendig stärker als die wehrhafteste geordnete Macht.“ 1 “ Diese These kann sich nur auf die siegreiche französische Revolution von 1789 gründen, denn von ihr ausgehend kam nach Fontanes Überzeugung der „Hauch der Freiheit“ über die Welt. 14
III. 1789 und 1870/71
Es war selbstverständlich, daß man sich im Jahre 1848 auf 1789 bezog, denn man gedachte damals jene erste Revolution gewissermaßen nachzuvollziehen; jedoch, was hat das Kriegsjahr 1870/71 mit 1789 zu tun? Es wird
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