Die politische Macht dieser ersten Commune stützte sich auf das Kleinbürgertum (Ladner, Handwerker, Gesellen). Mit dem Sturz ihrer radikalrevolutionären Führer (die Jakobiner Robespierre, Saint-Just u. a.) endete 1794 ihr Einfluß.
Ähnlich war die Commune von 1871 organisiert. Das bewaffnete Pariser Volk (die in Sektionen eingeteilte Nationalgarde) bestand aus Kleinbürgern und der aufstrebenden, zahlreichen Arbeiterklasse, die als solche erst im Zeitalter der Industrialisierung entstanden war; dieses Volk hatte, kurz nach dem Aufstand vom 18. März, den Rat der Commune als oberstes Exekutivorgan für Paris gewählt. Zwischen der ersten und der zweiten Commune, zwischen 1792 und 1871 besteht also eine ganz offensichtliche soziale und politische Analogie.
Ist aus dem Gesagten zu schließen, daß Fontane der Pariser Commune von 1871, Erbin der revolutionären Überlieferung von 1792, verständnislos, ja sogar feindlich gegenüberstand? Zweifellos verhielt er sich so, wenn man seine zum Teil durch Revolutionsangst diktierten Frankreich-Reportagen durchstudiert. Doch Fontane verharrte nicht für immer auf diesem Standpunkt.
Ähnlich wie Goethe zuerst seine Angst vor der Revolution von 1789 ganz unmittelbar äußerte, dann, mit über dreißig Jahren Verspätung ihre „Segnungen“ anerkannte 25 und sogar revolutionäre Themen in seine letzten großen Werke einflocht, 2fi so hat auch Fontane die in den Reportagen niedergelegten, allzu frischen Eindrücke nach über zwanzig Jahren revidiert.
Fontanes Spätwerk enthält Texte, in denen Das Neue ,',,für das wir recht eigentlich leben sollten“ 27 , mit Mut und Wärme, man möchte fast sagen, mit Zivilcourage, dargestellt wird, so zum Beispiel die Gestalt des Com- munarden im Roman Quitt (1890), und vor allem die sich durch seinen großen „politischen“ Roman (Der Stechlin, 1898) ziehende Revolutionsthematik mit ihren erregenden Symbolen (der rote Hahn, der aus dem See aufsteigt, die Millionen „Ratten“, die ans Licht wollen, die „chemische“ Zersetzung der Gesellschaft bis zur „Generalweltanbrennung“).
Wenn man Fontanes Erzählwerk und die so häufig als Grundlage dazu dienenden Wanderungsbücher (von der Mark Brandenburg bis Frankreich) nach revolutionären Motiven durchforscht, so wird man erkennen, daß zu dieser seiner Inspiration das Jahr 1789 den Grund legt. 1848 war, für Berlin, ein mißglückter Nach Vollzug der großen französischen Revolution; die Commune von 1871 war in ihrer Struktur eine Wiedererstehung der Commune von 1792. Alle diese Umwälzungen waren „ehrlich“, wie es Fontane schließlich zugegeben hat. Doch nur die erste, die von 1789, war „gründlich“; von ihr stammen die Revolutionen des neunzehnten Jahrhunderts ab, und aus ihr ist, letzten Endes, auch Fontanes Revolutionsthematik entstanden.
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