ein herrlicher Bau. Aber der alte Ulmenbaum auf dem Kirchhof breitet seine Äste nicht mehr aus. Vor ungefähr zehn Jahren ist er an einer Baumkrankheit eingegangen, und nun steht nur noch der riesige knorrige Baumstumpf, gehalten von eisernen Stützen und umgeben von einem Eisengitter. Es gibt in der Kirche einen alten Stich, der das Bild dieses Baumes mit seiner Rasenbank und den alten Männern in ihren langen Röcken und Hüten festhält, wie Fontane es geschildert hat. Doch nicht hier, sondern an einer anderen Stelle erinnert ein Gedenkstein an die ursprüngliche Begräbnisstätte des letzten angelsächsischen Königs. Während der Jahrhunderte aber wurden bei den verschiedenen Umbauten der Kirche die Gebeine des Königs mehrmals ausgegraben und umgebettet; Spuren sind nicht mehr vorhanden, nur ein geschnitztes Kopfstück des Königs, das in der Kirche aufbewahrt wird.
Ein reicher Legendenschatz umgibt diese Kirche von ihrer ersten Gründung an. Aber die Sage von Edith Schwanenhals findet nicht mehr den Widerhall, den sie im neunzehnten Jahrhundert gefunden hatte, das die Verbindung von Geschichte und Romanze liebte. Werke wie Bulwer Lyttons Harold, the Last of the Saxon Kings, von 1848, und Tennysons Drama Harold, 1876, sind jetzt vergessen. Es bleibt zwei deutschen Dichtern überlassen, die Legende lebendig zu halten. Wer Heine und Fontane liest, der weiß auch von König Harold und Edith Schwanenhals.
Anmerkungen
1 Theodor Fontane, Werke Bd. 17, Nymphenburger Verlagshandlung, München, S. 413-417. Vgl. Reuter, H.-H. (Hrsg.): Theodor Fontane, Wanderungen durch England und Schottland, Berlin 1979, Bd. 1, S. 505-511. - (Aus Fontanes Tagebuch geht hervor, daß er schon im Juli 1856 nach Waltham-Abbey gefahren war und an dem Artikel gearbeitet hat, den er dann erst ein Jahr später an die Kreuzzeitung schickte.)
2 Theodor Fontane, Werke Bd. 17, S. 179—185.
3 H. O. Horch, „Das Schlechte . . . mit demselben Vergnügen wie das Gute. Über Theodor Fontanes Beziehungen zu Heinrich Heine. Heine-Jahrbuch 1979, S. 143.
4 Theodor Fontane, Werke Bd. 21/1, S. 497.
Das Archiv der Waltham-Abbey hat mir freundlicherweise die Abbildung zur Verfügung gestellt.
Christa Schultze (Berlin)
Fontanes Beziehung zu dem Gogol-Übersetzer August Viedert
August Viedert ist in der Erforschung russisch-deutscher literarischer Beziehungen kein Unbekannter. Erst unlängst legte der Sekretär der Storm- Gesellschaft K. E. Laage in einer Spezialstudie das Verhältnis des Übersetzers zu Theodor Storm dar. Er würdigte sowohl die Rolle Storms als Berater des jungen Deutsch-Russen, dem er 1854 bei der Buchpublikation seiner Übersetzung von Turgenevs „Aus dem Tagebuch eines Jägers“ behilflich war, als auch Viederts Bemühungen, Storm in Rußland bekanntzumachen. 1 Grundlage aller bisherigen Arbeiten über Viedert bilden die Forschungen des sowjetischen Gelehrten M. P. Alekseev „Zur Weltbedeutung Gogols“ (1954) und „Die weltweite Wirkung von Turgenevs .Aufzeich-
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