die Arbeit des Herrn Viedert zu einer bemerkenswerten Erscheinung in der Ubersetzungsliteratur. Wie meisterhaft ist in der Übersetzung die Komik und Originalität der Sprache Gogols bewahrt worden.“ 16 Michajlov schließt seinen Artikel bezeichnenderweise mit einem Zitat aus Varn- hagens Aufsatz „Neueste russische Literatur“ aus dem Jahre 1841, in dem dieser gute Übersetzungen aus dem Russischen forderte, und meint, daß diese Forderung jetzt — über ein Jahrzehnt später — von Bodenstedt und Viedert erfüllt sei.
Der andere Freund und Gönner, der Viedert zur Verbreitung seiner Gogol- Übersetzung in Deutschland anregte, war der im Jahre 1854 durch seine „Aufzeichnungen eines Jägers“ in Rußland bereits berühmt gewordene Dichter I. S. Turgenev, von dem Viedert ja einige Skizzen in seiner Übersetzung Ende 1852 und 1853 in der Leipziger „Novellen-Zeitung“ hatte drucken lassen. 17 Turgenev kannte Gogols Werke „fast auswendig“ 18 ; seine Inhaftierung und Verbannung nach Gogols Tod wurden bereits erwähnt. Sowohl Turgenev, der vermutlich ebenfalls der „Revisor“-Lesung Viederts in Petersburg beigewohnt hat, als auch Michajlov mochte es als eine sträfliche Unterlassung erscheinen, eine bereits fertige Übersetzung von Gogols neben dessen Roman „Die toten Seelen“ bedeutendstem Werk nicht im Druck erscheinen zu lassen, zumal „Der Revisor“ in deutscher Sprache noch nicht vorlag. Ihrem Drängen folgend fuhr Viedert das zweitemal mit der festen Absicht nach Deutschland, hier die bereits in Petersburg gehaltenen Lesung zu wiederholen und dadurch den Druck des Lustspiels in seiner Übersetzung, vielleicht sogar eine Aufführung auf einer deutschen Bühne zu ermöglichen. Mit Fontanes Hilfe verwirklichte Viedert seine erste Lesung des „Revisor“ in Deutschland — und zwar, wie oben im Brief an Lepel mitgeteilt — am 23. April 1854 im literarischen Sonntagsverein „Der Tunnel über der Spree“ in Berlin. Das von Fontane verfaßte „Protokoll“ dieser Lesung ist — nach Michajlovs o. a. Artikel — die zweite Darstellung von Viederts Tätigkeit als „Revisor“-Vorleser bzw. -Übersetzer. Diese beachtenswerte Tatsache, die Fontane — indem er Viedert in den „Tunnel“ einführte, mit dessen Mitgliedern bekanntmachte und ihm zur Seite stand — bei der Popularisierung Gogols in Deutschland neben Turgenev, Michajlov und Varnhagen von Ense stellt, rechtfertigt die erneute auszugsweise Zitierung des „Protokolls“ über Viederts „Revisor“- Lesung, in dem es heißt: „Die bis zum 4. Akt hin immer wachsende Teilnahme des Tunnels begleitet seinen Vortrag und selbst während des 5. Aktes, dessen Inhalt sehr bezeichnend eine Rück-abhaspelung genannt wurde, erhält sich diese Teilnahme so ziemlich au niveau [...] Was aber dem Stück seinen Zauber gibt und ihm überall bedeutende Erfolge sichern wird, das ist die Gabe der Menschenschilderung und die humoristische Kraft, die auf jeder Seite sich geltend macht und den Tunnel fast ununterbrochen bei lachender Laune hielt. Der Umstand, daß das Stück zugleich eine Sittenschilderung ist und in liebenswürdig-offener Weise die Gebrechen unsres wackren alten Verbündeten darlegt, war natürlich nur geeignet, das Interesse des Tunnels an der Arbeit zu steigern.“ 16 Die mit Fontanes Hilfe zustandegekommene erfolgreiche Lesung des „Revisor“ im „Tunnel“ fand in der Berliner Presse eine starke Beachtung.
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