Heft 
(1983) 35
Seite
309
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Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, daß die Mitglieder desVereins der biederen Mittelmäßigkeit fast alle im bürgerlichen Milieu der preu­ßischen Hauptstadt eine Stellung einnahmen. Es zeigt sich, daß Viedert durch dieTunnel-Bekanntschaften in das damalige literarische Leben Berlins einzudringen vermochte, so wie Fontane ein Jahrzehnt zuvor durch den Sonntagsverein literarischen Ruhm und ihn fördernde Freundschaften gefunden hatte. DieSpenersche Zeitung machte bereits am 29. April 1854 darauf aufmerksam, daß Viedertin mehreren wissenschaftlichen Kreisen Eingang gefunden ... und seine neueste Arbeit vorgelesen hat. Die Vossische Zeitung wies am 2. Mai auf dasin vortrefflicher Übersetzung von Herrn Viedert in der vorletzten Tunnel-Sitzung vorgetragene Lust­spiel hin. Auch dasLiteratur-Blatt des Deutschen Kunstblattes, das Fontanes Freund Friedrich Eggers redigierte, und dieNationalzeitung fehlten nicht mit einer Notiz über diese Lesung. 20 Fast alle wiesen auf die für den 9. Mai vorgesehene öffentliche Lesung imHotel de Russie und auf Viederts Hoffnung, das Lustspiel auf einer deutschen Bühne auf­geführt zu sehen, hin. In der RubrikBerliner Zauschauer der konserva­tiven, der zaristischen russischen Regierung zugeneigten ..Neuen Preu­ßischen (Kreuz-)Zeitung findet sich unter der Chiffre 00 alsvorletzte Meldung vom 29. April ein Hinweis, der möglicherweise auf dasTun­nel -Mitglied und Mitarbeiter der Zeitung Georg Hesekiel zurückzuführen ist:Unter den russischen Dichtern der Gegenwart steht Gogol oben an: sein Lustspiel der .Revisor 1 ist das beste dramatische Erzeugnis der russi­schen Literatur. Selbst die grimmigsten Feinde Rußlands werden dieser hinreissend ergötzlichen Satire ihr herzliches Lachen nicht vorenthalten können. Wie wir hören, wird Herr Viedert, der den .Revisor ins Deutsche übersetzt hat und ihn mit größter Präzision vorzulesen versteht, das Lustspiel in der nächsten Zeit öffentlich vorlesen und dadurch dem Pu­blikum einen wahrhaften Genuß bereiten. 21

Auch diese öffentliche Lesung fand zahlreiche Rezensenten. Adolf Stahr verfaßte eine ausführliche Beschreibung des Stückes auf fünf Spalten im Feuilleton derNationalzeitung. 22 Die wohlwollende Aufnahme der Le­sungen Viederts in Berlin (am 5. 1. 1855 fand in der Singakademie eine weitere statt) blieb eine Ausnahme, die u. a. auf die journalistische Ein­satzbereitschaft des mit Viedert bekanntgewordenen Personenkreises zu­rückzuführen ist. In den Bädern Karlsbad und Ems durften bereits ange­kündigte Lesungen nicht stattfinden. In unserem Zusammenhang ist eine kurze Notiz in der Berliner MorgenzeitungDie Zeit vom 12. Mai 1854 unter der Chiffre * von Interesse, weil sie vielleicht Fontane zum Verfasser haben könnte, der ja bekanntlich bereits im Juli 1852 und später 1857 von London aus an dieser Zeitung mitwirkte. 23 Sie wird hier zitiert, um einen Vergleich mit dem oben gegebenen Ausschnitt aus dem von Fontane ver­faßtenTunnel-Protokoll zu ermöglichen, der u. E. eine frappante Ähn­lichkeit aufweist, vor allem in der Unterscheidung zwischen literarischem Gehalt des Werkes und der ihm gleichzeitig immanenten Kritik derGe­brechen im russischen Leben der damaligen Epoche. Es heißt in der ».Zeit:Dienstag Abend las Herr August von Viedert seine Übersetzung des in hiesigen Blättern mehrerwähnten Gogolschen Lustspiels ,Der Re-