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Deutsche Noman-Sibüothek.
besinnungslos; in den Pausen zwischen denselben matt, aber ruhig. Dibbeh's Gegenwart hatte sich ihr so allmälig und so diskret fühlbar gemacht, daß ihr Bewußtsein die Pflegerin ohne Widerstreben angenommen hatte; auch Wellesley wurde von der Kranken ohne die Bitterkeit behandelt, der er zu begegnen fürchtete, als er an ihr Bett trat. Zuerst freilich nur oberflächlich gestaltete sich das Zusammenleben dieser drei einander innerlich zu nahen oder zu fernen Wesen so harmonisch, daß jeder in die Beziehungen der Gruppe Uneingeweihte sie von einem zärtlichen Familienband umschlungen glauben mußte; bald aber drang dieser Akkord mehr aus der Tiefe der Herzen, welche der endlichen Schlichtung ihrer Ansprüche und Klagen täglich gewisser werden mußten. Als nach einigen Wochen Wellesley und Dibbeh von dem Arzte aufgesordert wurden, sich auf das baldige Verscheiden Harriet's gefaßt zn machen, ergriff sie tiefe Wehmnth Derjenigen gegenüber, die das Loos getroffen, Raum zu geben für ihr künftiges Glück; als die Kranke selbst erkannte, daß ihr Zustand ein hoffnungsloser, grollte sie der verhängniß- vollen Liebe der Beiden nicht länger; ja sie vereinigte, ehe das Bewußtsein sie ganz verließ, deren Hände auf ihrer röchelnden Brust.
So rein und edel gestimmt war der Liebenden Gefühl, als sie, nachdem der tiefbewegte Carabet Harriet's Leiche eingesegnet, mit einander am einsamen Waldgrabe der Verewigten standen, daß sie angesichts
desselben beschlossen, als Vater und Tochter beisammen zn bleiben, bis die Schranken dieses Verhältnisses ihrem Sehnen zu eng würden. Es verlangte Wellesley ebensowenig als Dibbeh Zurück in den Strudel des geschäftlichen und geselligen Lebens von Boston; Everett, dessen Charakter die herben Erfahrungen der letzten Zeit gereift und vertieft hatten, sollte als Theilhaber des Handlungshauses dessen ersten Chef in Amerika vertreten; während der persönliche Einfluß, den der reiche Mann aus Panis erlangt, dazu verwerthet zu werden bestimmt war, den rachsüchtigen Groll des einflußreichen Administrativbeamten gegen die einander vor Gericht der Mitschuld an Assad's Verbrechen bezichtigenden Drusen Abu Jschok und Thaljeh zu dämpfen und den beiden Elenden ein mildes Urtheil zu erwirken.
Wellesley und Dibbeh kamen daher überein, in einem der Mission gehörigen, aus den Vorhöhen des Libanon in der Nähe von Berut liegenden einfachen Landhause so lange ihren Wohnsitz anfznschlagen, als der erschütternde Nachhall des jüngst Erlebten äußerlich und innerlich dauern mochte. Der läuternde Genuß erhabener Natnrbilder, die Bethätigung menschenfreundlicher Gesinnung wurden von ihnen dazu erwählt, sie in edlem Uebcrgang aus der tragischen Epoche, welche sie eben durchlebt, in das selige Idyll zu leiten, das ihre Liebe aus der Zukunft zu bilden sicher war — denn Beide wußten sich ja einander für alle Zeit „seclcneigen".
Mosaik.
Neberall m Hause. „Also doch endlich geheirathet, alter Junge!" redet ein von der Reise zurückgekehrter Herr den ihm begegnenden Freund lächelnd an. „Da gratulire ich von Herzen ! Habe schon gehört, daß Deine Gattin eine vollkommene, hochgebildete Frausein soll." — „Ist sie, ist sie, lieber Freund," lautet die mit süßsaurer Miene gegebene Antwort, „ist vollkommen zu Hause in der in- und ausländischen Literatur, zu Hause in der Musik, zu Hause in Kunst und Wissenschaft, kurzum überall zu Hause, ausgenommen." — „Aus
genommen?" — „Ausgenommen zu Hause!"
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Spanische Nachtwächter. Die Nachtwächter haben in Spanien das Privilegium, die Leute aus dem Schlaf zu wecken. Sie rufen nicht nur jede Stunde, sondern sogar jede Viertelstunde und an jeder Ecke an, und zwar nicht nur die Viertelstunde, sondern auch das Wetter. Zum Beispiel: zweieinhalb Uhr Morgens, „hell vorbei"; dreicinviertel Morgens, „es regnet"; vier Uhr Morgens, „Nebel".
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Drastischer Dialog. „Himmel, wie dumm bin ich doch!" — „Da haben Sie Recht, mein Fräulein!" — „Sic sind impertinent, mein Herr!" — „Wieso, Sie sagten doch selbst..." — „Ich sagte es, ohne dabei etwas zu denken!" — „Und ich dachte cs, ohne dabei etwas zu sagen."
Gesäugen. In Memoiren aus den Zeiten Ludwigs des Vierzehnten wird erzählt, daß, als eine junge, sehr schöne Dame einst für die Armen sammelte, der Prinz von Eondv zehn Louis in den Beutel legte, mit den Worten: „Uonr vos lmanx ^6ux, NaäsrnviZelle.« Die Dame verneigte sich tief und erwiederte: „MUs Aracss, lUonsoiAnaur, et u present paar Iss xauvre«, s'il vous xlaitD Der Prinz lächelte und spendete abermals zehn Louis.
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Gcineiuderathsgnst. In einer Sitzung des kleinstädtischen Kollegiums beschwerte sich ein Redner über die unmotivirte Abwesenheit eines Gemeiuderathsmitgliedes. Da erhob sich plötzlich in edler Entrüstung ein anderer der Stadtväter und rief mit tiefem Exportbierbaß in die verblüffte Versammlung: „Ich find's nicht hübsch, dicß Hinterrücks! Der geehrte Herr Vorredner hätte heute seine Beschwerde anstündigerweise nur Vorbringen sollen, wenn der Beschuldigte anwesend gewesen wäre!"
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Abgcsertigt. Der durch seine frivolen Romane bekannte Crebillon prahlte einst Rousseau gegenüber, daß sein Verleger im letzten Monat bereits vier Auflagen seines jüngsten Werkes verkauft habe, während in dieser Zeit noch lange nicht die erste Auflage von Nousseau's „Neue Heloise" abgesetzt worden. „Nun ja," meinte Rousseau ruhig, „man kann mit Sicherheit annehmen, daß jährlich mindestens eine Million Mal mehr Eicheln als Ananas verzehrt werden, aber — wer verzehrt sie?!"
vormals LMuLnU Ickullber^sr
in unä L°eLxrL!§.
Dirre "^Miise/re Lerrie/^iee/rie-'. Dills Jmklag's. 3 Dcks. HI. 15. — Derreirr. 2sünts 2.nkla§e. 3 Däncis. 21. 15. — Die Ae/rre6§ie/'/r,. Visr^slints 2.u6. 21.7. —Der'DD/iser'. Dsünts 2.uli. 2 Däs. 21.12.— Derrre s/rrrr. Dills 2,n1IsZs. 21. 7. — Die DD«/ Dir rr/errrei.^ier'irr. Drvöitls 2.ukiggs. 21. 7. — Dirr IDori. Dills 2,ulis.As. 21. 7. — Dir re Drvrr/e. läM. Dritte JmligAS. 21. 5. Zirmmi/ieir i-r /einem Vrü/Mrri-Di-Dami. l.ikbling8büoii6r lisr ckeuksolian k^umiHe.
Redaktion: vr. Edmund Zoller. — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallbergcr) in Stuttgart.