Heft 
(1885) 31
Seite
728
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Deutsche Roman-Bibliothek.

Engel in den Saal herniederhingen und in die Tuba bliesen.

Franziska sah hinauf und sagte:Die Wahrheit zu gestehen, Hannah, ich freue mich, diese vier Engel nicht beständig über mir Zu haben. Sie blasen den Petöfy'schen Ruhm in die Welt hinaus, und das ist gut, aber unter ihnen Zu sitzen, ist gefährlich. Zeige mir lieber, wo Prinz Eugen gesessen hat."

Ich weiß nur, was ich von Toldy weiß: der Prinz habe die Balkonthür gerade im Rücken gehabt."

Welche?"

Die dort, die nach dem Hofe hin."

Und nun suchten Beide die Stelle, wo der Prinz nothwendig gesessen haben müsse, lachten, als sie sie gefunden hatten oder doch gefunden zu haben glaub­ten, und traten endlich wie zum Lohn für ihre Mühe durch die Glasthür auf den Balkon hinaus.

Aber nicht aus lange. Die Vormittagssonne fiel von der Seite her blendend aus den Schloßhos und zwang sie, wieder zurückzutreten, um im Schatten der Thürpseiler besser sehen zu können.

Ah, das ist schön," sagte Franziska, während sie den Hof mit ihrem Lorgnon musterte.Du hast mir nur von Türkenzeit und von zweihundert Jahren erzählt, aber das, was hier drüben steht, ist ja viel, viel älter. Und daß es so dicht eingesponnen daliegt, das lieb' ich am meisten. Sieh' doch nur hier, eine pure Wildniß." Und dabei wies sie nach rechts hin auf ein niedriges und halb Zerbröckeltes Mauerstück, das in seiner Front von Weinlaub halb überwuchert war, während von der Rückseite her allerlei Hollunder- nnd Ebereschenbäume mit ihren schwarzen und rothen Beeren in den innerer: Schloßhof hineinwuchsen. Und dieß hier," fuhr sie fort,dieß hier mit dem niedrigen Rundbogen, das muß die Kapelle sein, vielleicht nicht mehr im Gebrauch, aber doch in alter Zeit gewesen, viele hundert Jahre zurück. Versteht sich, da sind ja die zwei Nischen, wo die Heiligen gestanden Haber: und der überhängende Thurm. Und sieh' nur, da ist auch das Glockenseil... Ach, Hannah, es bleibt dabei, das waren doch unsere besten Tage, wie wir noch mit dem Kirchenschlüssel in den Thurm gingen und an dem Glockenseil Zogen und den Abend einläuteten."

Franziska, während sie so sprach, war wieder auf den Balkon hinausgetreten und schützte sich jetzt, so gut es ging, mit der Hand gegen die Sonne. Dabei sah sie nach dem Glockenthurm hinauf, der im Wesentlichen nichts war, als eine vom Giebel her vorgeschobene Holzwelle mit einem hölzernen Schräg­dach darüber. Aus dem Wellbaum aber, ganz wie segelreffende Matrosen auf einer Raae liegen, lagen ein paar Arbeiter und zogen ein starkes Tau durch eine der Glockenösen, während ein paar andere von Dach und Giebel her ihre Kameraden bei der Han- tirung unterstützten. Und wirklich nicht lange mehr, so sah Franztska, wie sich die größere Glocke zu senken begann, langsam und allmälig, bis sie das starke Bohlenbrett einer mit vier kleinen Pferden bespannten Schleife berührte, die mittlerweile von dem Thorbogen her unter den Thurm gefahren war.

Alles ging lautlos von Statten, ohne daß irgend einer der Schloßbewohner durch Neugier herbeigelockt

worden wäre, vielleicht weil die Sonne so glühend heiß auf den Hof siel. Endlich aber erkannte Fran­ziska den Kutscher, der sie gestern vom Dampfschiff her abgeholt hatte.

Was gibt es?" fragte sie hinunter.

Kaput, Gräfin gnädigste."

Gestern?"

Gestern," klang es zurück. Und ehe sie weiter fragen konnte, setzte sich der Zug auch schon in Be­wegung und bog vom Hof her in den Schlängelweg ein, den man unter dem Portal hin noch eine Strecke weit verfolgen konnte.

Franziska war blaß geworden und zitterte.Hast Du's gehört?"

Was?"

Du fragst noch? Als man zu meinem Ein­züge läutete..."

...Hatte die Glocke schon einen Sprung. Das ist es und weiter nichts. Glaube mir, ich versteh' mich aus Glocken, und wenn Du durchaus was von Zeichen und Auslegung haben willst, so sag' ich Dir, es heißt: ,Alles, was hier nichts taugt oder einen Sprung hat, das muß jetzt an's Licht und offenbar werden. Ein neues Leben unter der neuen Gräfin!' Ja, Fränzl, das heißt es."

Ach, Hannah, das sagst Du so, weil Du mir anstehst, daß es mir einen Stich in's Herz gegeben hat, und weil Du mich trösten willst. Aber Du redest es mir nicht fort. Es gibt eben Zeichen und Träume."

Für Die, die daran glauben. Ich habe meinen lutherischen Katechismus und das Gesangbuch. Und das ist besser als Traumbuch und Aberglauben."

Eine Stunde später war der Graf zurück und ließ fragen, ob die Gräfin eine Spazierfahrt mit ihm machen und darnach die Bildergalerie besichtigen wolle. Der alte Toldy habe schon Ordre, die Vor­hänge zurückzuziehen und für Luft und Licht zu sorgen.

Franziska war froh an einNein" war ohnehin nicht zu denken und in halb wieder- gewonnener guter Laune bestieg sie gleich darnach den Korbwagen, in dem sie schon gestern die Fahrt vom Dampfschiff bis zum Schlosse gemacht hatte. Der Gras fuhr selbst, war sehr aufgeräumt und fragte viel und rasch, schwieg aber beharrlich über den Zwischenfall, trotzdem die Geräthschaften und Taue noch umher lagen, deren man sich bei den: Herabholen der Glocke bedient hatte.

Der Park war eine Schöpfung aus des Groß­vaters Tagen her und überdeckte den halben Schloß­berg, der nach rückwärts hin ebenso sanft und all­mälig wie nach vorne hin steil und plötzlich abfiel. Auf der allmälig abfallenden Seite waren fünf große Terrassen angelegt, die Zunächst durch Treppenstufen, aber nebenher auch durch in der Serpentine gebaute Fahrwege miteinander Verbindung hielten. Inner­halb dieser Wege ging jetzt die Fahrt. Auf der zweiten Terrasse befand sich die Stelle, wo der arte­sische Brunnen gegraben wurde, dann kamen ge­spannte Teiche mit Hängeweiden, bis endlich eine