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Deutsche Noman-Sibliothek.
nach einigen! Schwanken aus ihr Zimmer, noch einmal zu schreiben, die ganze Schale des Zornes über den Treulosen auszuschütten. So blieben Egbert und Karola allein und vertieften sich alsbald in ein hochwichtiges Gespräch, dessen Gegenstand vor Allem Marie Werner war.
Karola billigte, obgleich sie wie alle Parvenüs unendlich adelstolz war, den Plan ihres Bruders vollkommen und zweifelte nicht an dessen Gelingen, denn sie war von den Vorzügen desselben vollkommen überzeugt. Die junge Dame konnte sich ja nur geehrt fühlen, in ihre Familie hinein zu heirathen. Sie war auch der Meinung, daß ihr Vater diesen Entschluß billigen würde, und baute bereits ihre Pläne auf diesen trügerischen Grund. Wenn Marie auch nur die hunderttausend Thaler hatte, — Gott,
wie leicht man in Indien doch reich werden konnte! — so war das ein Glück für sie Alle, ganz abgesehen von der Gunst der Tante. Man konnte mit dem Gelde die Schulden bezahlen, diese unerträgliche Last abwälzen und mit dem Rest immer noch anständig leben. — Sie Alle würden aufathmen, wenn dieser Alp erst von ihrer Brust gewälzt wäre, vor Allen der Vater. Unter dieser Bedingung würde derselbe auch gern die Geschichte in der Zeitung und andere viele Dinge noch vergeben und Egbert zu Verstand kommen.
Sie redete ihm in Folge dessen lebhaft zu, seine Bewerbung sortzusetzen und möglichst bald mit seinen Absichten hervorzntreten. Dann schüttelten sie sich die Hände und trennten sich.
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Wo sai k.
Professorenivitz. Wie gewisse Universitütsprofessoren jede innere oder äußere Veranlassung zu einem perennirenden Witze auszubeuten pflegen, der sich an geeigneter Stelle wie der Donnerschlag auf den Blitz niit unfehlbarer Konsequenz einzustellen pflegt, so hatte auch der bekannte ehemalige Heidelberger Professor Zachariä einen derartigen „Witz auf Lager", den er mit eiserner Beharrlichkeit aus Veranlassung seiner in seltenem Umfange ausgebildeten Glatze an die ihn behandelnden Haarkünstler mit Erfolg auszulassen nie zu unterdrücken vermocht haben soll. Während eines gelegentlichen Aufenthaltes in der Hauptstadt traf ihn indessen doch einmal das Mißgeschick, der „Neingefallene" und „Gemeierte" zu sein, wie er das in Freundeskreisen mit Vorliebe erzählte. Er betritt das „großstädtische" Haarschneidekabinet, um sich die wenigen Nackenhaarsragmente, die ihm noch geblieben, auf deren eingebildete „Fülle" er aber nach Kahlkopfsart bei alledem noch eitel war, kürzen zu lassen. Nachdem er Platz genommen und sich bereits unter der Scheere befindet, hebt er wie gewöhnlich mit seiner oft erprobten „Anzapfung" blinzelnd an: „Hm, so ein vollendeter Kahltopf — große Seltenheit, he? Jnteressirt Sie gewiß! Lernen dabei, junger Mann! Hoffe, Lei Ihrer geringen Mühe, lieber Freund, hoffe Zuversichtlich, daß mir die wenigen Haare für den halben Preis geschnitten werden, — nur dahinten, wie?" — „Mein Herr," versetzte zu maßlosem Erstaunen des verblüfften Gelehrten, der seine bestrickende Professorenlogik nie noch hatte scheitern sehen, der geriebene Haarkünstler, sich mit dem ganzen Stolz seines schneidigen Berufes in die Brust werfend, „wenn wir auf diejenigen Haare, welche uns zur Behandlung anvertraut werden, wie in diesem Falle gewissermaßen erst eine förmliche Suche anzustellen und quasi einer Einzeltonsur zu unterziehen haben, pflegen wir stets das doppelte Honorar für solche Parforceleistung zu beanspruchen." — Seit dieser Stunde soll Zachariä auf die fernere Verwerthung seines „haarigen" Witzes für immer Verzicht geleistet haben.
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Blutiger Trost. „O, o, mein bester Herr!" schreit eine arme Dulderin unter den operirenden Fäusten eines Tölpels von Zahnarzt, „das ist nun schon der zweite falsche Zahn, den Sie mir gezogen haben. Es ist gräßlich!" Der Dentist erbleicht, faßt sich aber schnell und versetzt tröstend: „Bedaure in der That, meine Gnädige, bedaure aufrichtig! Da aber nur drei Zähne in dem kranken Kiefer überhaupt vorhanden waren, als ich begann, so können Sie vollständig darüber beruhigt sein, daß ich jetzt den rechten treffe."
Sn eigener Schlinge. Eine Dame hatte in ihren Diensten ein vortreffliches Mädchen, welchem nur ein einziger Fehler nachgesagt werden konnte: das biedere Wesen war Allem, was wie Seife aussah oder nur entfernt an den neuesten Maßstab der Kultur erinnerte, spinnefeind und stand mit der „Propretät" überhaupt auf gespanntem Fuße. Die zartbesaitete Hausfrau, welcher die „schmuddelige Visage" der treuen Seele schon oft geheimen Kummer verursacht hatte, grübelte lange darüber nach, wie sie dem Mädchen, ohne dasselbe zu kränken, beibringen sollte, daß es sich das Gesicht ordentlich rein Wäsche. Auf die List, auf die sie schließlich verfiel, bildete sie sich große Stücke ein. „Weißt Du, Brigitte," bemerkte sie eines Tages in vertraulichem Tone, „daß Du von Tag zu Tag schöner werden würdest, wenn Dn Dein Gesicht nur zweimal täglich mit warmem Seifenwasser waschen könntest?" — „Was Sie sagen, Madame," versetzt das verschmitzte Frauenzimmer mit anscheinend stupider Miene, „dann wundert mich nur, daß Sie das nie versuchten!"
Die grössten Kirchen der Meli. Der St. Petersdom in Rom faßt 54,000 Menschen. Nächst diesem kommt die Kathedrale in Mailand mit 37,000, die Paulskirche in Rom mit 36,000, der Kölner Dom mit 30,000. An diese reihen sich die St. Paulskirche in London und die Petroniuskirche in Bologna, jede für 25,000 Personen Raum, die Aja Sophia in Konstantinopel für 23,000, St. Johann im Lateran für ebensoviel, die Stephanskirche in Wien und der Dom zu Pisa für je 12,000. Die Kirche des heiligen Dominius in Bologna für 11,400, die Frauenkirche in München für 11,000 und die Markuskirche in Venedig für 7000, die St. Patrickskathedrale in New-Pork für 18,000 Menschen.
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Niemals selbst. Der große Musiker Felix Mendelssohn war bekanntlich ein Enkel des großen Philosophen Moses Mendelssohn, welcher zwei Söhne hatte. Der jüngere, Abraham, gründete ein Bankgeschäft, welches noch existirt, und dessen Sohn war Felix. Als Abraham starb, sprach er zu Denjenigen, die sein Todtenbett umstanden: „Ich beklage nur eines, da ich aus diesem Leben scheide, und das ist, daß ich in den Zeitungen nicht ein einziges Mal mit meinem Namen genannt wurde." Und in der That sollte auch nach seinem Tode dieß nicht geschehen. Denn während er in der ersten Hälfte seines Lebens „der Sohn Mendelssohns" genannt wurde, nannte man ihn in der zweiten Hälfte „den Vater Mendelssohns", und in dieser Form wurde von den Zeitungen auch sein Tod angezeigt.
Redaktion: vr. Edmund Zoller. — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallberger) in Stuttgart.