Heft 
(1885) 31
Seite
743
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Die Erbtante von Johannes van Dewatt» 743

was Eines dem Andern beisteht, und möchte euch bitten, euch jetzt zu versöhnen, das Geschehene zu vergessen. Zum Zeichen dessen bitte ich, daß ihr euch umarmt wie Brüder, ihr Beide, Konrad und Leopold, und daß eure Kinder euer Exempel befolgen."

Die Gesichter der Zuhörer waren geradezu Zum Malen: Ueberraschung, Abscheu, Spott und Zorn drückten sich in allen Nüancen in denselben ans, so deutlich wie eben ein menschliches Antlitz die Em­pfindungen der Seele wiederspiegeln kann. Es entstand ein Aufruhr, ein inhaltsvoller Augenblick des Zauderns dann, man maß sich mit finsteren, ungewissen Blicken, ein Jeder erwartend, daß der Andere den ersten Schritt thäte, und doch mit einem Gefühle des Grimmes diese Initiative erwartend.

Die Tante mit den fünf Millionen stand so imponirend da und hatte so deutlich mit dem Zaun- pfahle gewinkt soeben, geschehen mußte etwas, aber man wollte auch hiebei den alten Trotz bewahren. Am interessantesten war der Kampf zwischen den feindlichen Brüdern; diese ahnten nicht, mit welchen scharfen Angen und mit welchem Interesse jene Pagode dort sie Beide beobachtete.

Der geldgierige Kommerzienrath hatte zuerst einen gelinden Krampfanfall, bei dem bloßen Gedanken, seinem hochmüthigen Bruder die Hand zu reichen, dem Herrn von Steinfurt. Wie ein Blitz fuhr ihm Alles durch den Kops, was er an Demüthignngen und Anfeindungen durch ihn und seine Familie er­litten hatte, aber ein Blick auf die fünf Millionen­tante und sein Gesicht verzerrte sich zu einem bitter­süßen, schadenfrohen Lächeln. Was für eine Ge­walt der stolze Konrad sich anthat . . . seine hohe, glatte Stirn färbte ein Helles Noth!

Jetzt sah er diesen mit ruhiger Würde, gesenkten Hauptes auf sich znkommen und augenblicklich setzte er sich nun selbst in Bewegung, denn ein Zaudern konnte ihm theuer zu stehen kommen, die alte Dame mußte ja am Schlagsluß sterben, bei ihrer Art sich zu kleiden und bei den vielen Toddies, vielleicht schon in den nächsten Tagen. Die beiden feindlichen Brüder trafen aufeinander und drückten sich die Hände.

Von den Kindern hatte bisher nur der Lieutenant sich Helene genähert; es wurde ihm das nicht schwer.

Umarmt euch, liebe Vettern!" gebot die Tante mit pathetisch erhobener Hand. Die beiden Männer mit welchen Empfindungen, das weiß Gott drückten sich gegenseitig an die Brust und küßten zweimal, rechts und links die Lust. Aber auch der Lieutenant befolgte zu Frida's unnennbarem Entsetzen jenen Befehl buchstäblich und umarmte seine hübsche blonde Cousine, welche tief erröthend den Kuß zurück­gab und dann die Augen niederschlug und beschämt zu Boden sah.

llllrwll )ou, meine Lieben! Ich werde euch das nicht vergessen," rief die Tante, und die beiden Brüder, der Präsident die Nöthe der Scham aus den hageren Wangen, der Kommerzienrath mit einem halb hämischen, halb verlegenen Lächeln traten zurück.

Nun ihr Anderen -- wie wird es?" ries die Alte.

Der Doktor lehnte ruhig, die Hände auf dem Rücken, an einem Möbel und schaute dieser Komödie Zn, kalt und ohne mit der Wimper Zn zucken. Er­

sah, wie Karola ohne Wanken hinüberging zu ihrem verhaßten Onkel und ihm die trockene, schmale Hand reichte, wie sie Helene küßte, als gäbe sie ihr einen Schnabelhieb, so kurz und hastig, und wie sie dann auf ihn selbst Zukam.

Wir waren ja wohl niemals Feinde, Cousine," versetzte er mit einem gutmüthigen Lächeln, deßhalb ist eine Versöhnung zwischen uns nicht nöthig.

Sie schaute zu ihm aus, murmelte ein:Das ist sehr freundlich von Dir," und trat wieder neben ihren Vater.

Helene kam herüber, sah freundlich mit ihren großen, blauen Augen zu dem Präsidenten auf und bat:Deine Hand, lieber Onkel." Ihre Stimme klang dabei so sanft, ihr Auge schimmerte so hold, außerdem, in dem Herzen des alten Herrn war heute ein solcher Aufruhr der Gefühle, er beugte sich nieder und kaum that er das, so fühlte er zwei weiche, warme Lippen auf seiner Wange und hörte die leise geflüsterten Worte:

Lieber Onkel vergiß und vergib!"

Etwas Seltsames, höchst Ausfallendes geschah: der stolze Mann hielt die Hand der Nichte fest, und fuhr ihr leicht über das volle, krause Haar. Er­sah sie an und fand, daß sie lieblich war. Eine milde Regung kam über ihn, er schüttelte leise die zarten Finger, er sah, wie reizend diese, ungeahnt und ungekannt, neben ihm, an demselben Stamme erblühende Knospe sich entfaltete, seine Augen be­kamen einen guten Ausdruck und er murmelte:Du bist ein gutes Kind, Helene."

Mittlerweile hatte der Dragoner dem Onkel mit festem Drucke die Hand geschüttelt. Mit einem Blick ans die Tante ward dieser Druck erwiedert, dann kamen Zögernd Frida und der Diplomat und dann versöhnte sich die jüngere Generation, natürlich Alles nur Zum Schein, bis endlich die große Versöhnuugs- feier auf Kommando vorüber war.

Ich danke euch, meine lieben Verwandten," sprach die Tante noch einmal mit Nachdruck,ich werde es nicht vergessen. Diese Stunde war sür mich alte Frau eine sehr freudige."

Sie sah sich im Kreise um, nickte Allen Zu, wo­bei die Federn an ihrem Turban höchst lächerlich hin und her schwankten, und ging, gestützt auf John, mit mühsamen, kleinen Schritten in ihr Zimmer. Kaum war sie hinaus, so wechselte die Szene, und kaum hatte sich die Gesellschafterin dann schnell em­pfohlen, so änderte sie sich noch mehr: lauter höh­nische, feindliche Gesichter, wohin man sah.

Komm', mein Kind!" befahl der Onkel Leopold; gute Nacht, Doktor!" damit war er zur Thüre hinaus. Noch schneller wie er hatte sich der Präsident entfernt. Gleich darauf empfahlen sich der Doktor und der Lieutenant, dem der Boden unter den Füßen brannte, weil er nach den: Klub wollte, um wo­möglich den Dagomar heute noch wieder zu acquirireu, und so blieben nur Karola, Frida und der Assessor zurück.

Frida war in der übelsten Laune über Roth- kirch's Brief und daß sie in einem Antwortschreiben ihm die bittersten Vorwürfe gemacht hatte, hatte ihr böses Herz noch lange nicht erleichtert; sie begab sich