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Deutsche Noman-Sibliothek.
dort. Anfangs ist die Zahl der Tanzenden eine geringe, gegen Mittag aber, nachdem der Wein in den Adern cirkulirt und die heißen Strahlen der Sonne den finsteren Motzen etwas weicher gestimmt haben, tanzt Alles, tanzen die Männer, die Weiber, die Kinder , tanzen die lauen Lüfte und tanzen die Sonnenstrahlen. Wie verführerisch diese Weiber und Mädchen doch sind! Ihre Gesichter sind breit, roth und gesund, keineswegs schmal wie die vieler anderer Rumäninnen. Die Augen leuchten, die braunen Haare glänzen und die schönen Körperformen nehmen sich, nur von einem starken Hemd und den beiden sich anschmiegenden Katrintzen bedeckt, wahrhaft verlockend aus. Ihre Nase ist oft groß und ihr Mund fast immer sehr breit, allein man übersieht dieß gern in Anbetracht der tadellosen Gestalt und der üppigen, schwellenden rothen Lippen. Ausnehmend viel schöne oder doch wenigstens hübsche Mädchen sind unter ihnen, entsprechend den Ländern der Stefanskrone, welche sich durch die Schönheit ihrer Frauen so vortheilhaft auszeichnen, und in denen thatsächlich wenig absolut häßliche junge Weiber und Mädchen vorhanden sind. Etwa zehn bis zwölf Herren in städtischen Kleidern haben sich unter den Volkshaufen gemischt. Es sind die Vertreter der Intelligenz: Richter, Notare, Beamte und Lehrer der umliegenden Ortschaften, welche als Begleiter von Damen fungiren. Diese haben sich in Nationaltracht geworfen und sitzen nach Männerart zu Pferd. Es ist natürlich eine scheinbar verbesserte Volkstracht, denn das Sammetleibchen, welches die Brust umschließt, und der das Haupt mit den üppigen Flechten bedeckende Strohhut sind beim Volk unbekannte Gegenstände und harmoniren mit der ganzen Umgebung ebensowenig wie mit der übrigen Kleidung der Schönen. Die Damen tanzen sehr fleißig, während ihre Herren zuweilen einer schönen Bäuerin in die volle gebräunte Wange kneifen. Allerdings geschieht dieß nicht immer ungestraft, denn der Motze ist ziemlich eifersüchtig, obgleich er selbst ein Don Juan ist und das zehnte Gebot wenig achtet. Von den Mädchen blasen einige die riesigen, zwei Meter langen Alphörner, um die Stärke ihrer Brust darzuthun, welche Uebung, wie man mir sagte, früher zur Zeit des Mädchenmarktes als Zeugniß der Kraft und Gesundheit abgelegt wurde. Die bewaffnete Macht ist gleichfalls vertreten. Vier bis fünf Gendarmen der nächsten Posten haben sich in ihrer geschmackvollen dunkelgrünen Uniform mit den wallenden Federbüschen Ungesunden, um der ganzen Gruppe von genießenden und aufgeregten Menschen als energische Friedensengel zu dienen. Ihre Anwesenheit ist von Segen begleitet, denn als'die, Sonne den späten Nachmittag anzeigt, scheint eigentlich kein Mensch mehr auf der Gaina nüchtern zu sein.
Das Verschwinden der Sitte ist offenbar allmälig vor sich gegangen, da das rumänische Landvolk wie überall konservativ ist und seine altvererbten Rechte Schritt für Schritt vertheidigt. Heutzutage lebt der Mädchenmarkt nur noch in ethnographischen Büchern oder in der Erinnerung alter Leute.
Mosaik.
Gebrauch der Schirme. Sowohl Regen- als Sonnenschirme findet man seit fünfzehnhundert Jahren in China: sie werden schon in Büchern aus jener Zeit erwähnt. Der berühmte Reisende Lagard entdeckte in den Ruinen Ninivehs Las erste Basrelief, auf den: ein König mit einem Schirm dargestellt ist. Auch in Indien ist der Gebrauch dieses Schutzdaches auf frühe Jahrhunderte zurückzuführen; es wurde dort stets als Abzeichen königlicher Würde betrachtet. In Burmah richtet sich die Größe des Schirmes nach der Rangstufe des Prinzen, und cs gehören schon sehr kräftige Männer dazu, den Schirm
über dem Haupte des ersten Prinzen zu halten. Der König selbst führt unter Anderem den Titel: „Herr des weißen Ele- phanten und Besitzer von vierundzwanzig Schirmen", wie in der Türkei die Paschas und Veziere ihre Rangstufe durch die Zahl der Roßschweife, oder in Rußland die Offizierschargcn die ihrige durch die Zahl der Orden markiren. Der Kaiser von China macht es noch großartiger: selbst auf der Jagd werden ihm vierundzwanzig Regenschirme, die von Seide oder lackirtem, bunt bemaltem Papier gefertigt sind, vorausgetragen, wie im alten Rom die Fasces den Konsuln, Prätoren und Diktatoren in der Jedem zukommenden Anzahl. Die Einführung des Regenschirmes in Europa ist noch gar nicht so alt. John Hanway, der Gründer des Londoner Hospitals, war der erste Europäer, der 1756 den Muth besaß, mit einem Regenschirm über die Straße zu gehen. Volle dreißig Jahre, bis zu seinem Tode, trug er ihn und hatte die Freude, schon nach einigen Wochen des Gebrauches sich nicht inehr vom Pöbel deßhalb belästigt zu sehen.
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Dingelstedt-Anekdoten. Vom „langen Franz", wie sich Franz Dingelstedt wegen seiner Körpergröße oft selber nannte, erzählt man sich folgende „amüsante und boshafte Geschicht- chen", die sich während Dingclstedt's Aufenthalt in Weimar (1856—1867) begeben haben. Er war dort bekanntlich Generalintendant des Hoftheaters und ließ einst eine Frau K. vom Kroll'schen Theater in Berlin auf Engagement gastiren. Es war ihr größter Wunsch, in Weimar zu bleiben, aber dem Publikum mißfiel ihr Spiel. Am Tage nach ihren: letzten Auftreten erschien sie in: Bureau der Generalintendantur und fragte Dingelstedt: „Ich werde doch engagirt? Die Leute
werden sich schon an mich gewöhnen." Er strich in gewohnter Weise seinen „Kotelettenbart", sah die „Künstlerin" von der Seite an und sagte: „Liebes Kind, was fällt Ihnen ein? Sie gefielen nicht, es thut mir leid." — „Nicht?" brauste sie auf, und in ihrem Zorn ging die Zunge mit ihr durch. „Dann muß ich Ihnen erklären, daß der hiesige Geschmack bedenklich ist. Ta lobe ich mir Berlin! Ich kann mich auch leicht trösten, denn wenn ich's recht bedenke, ist die Stadt für mich auch viel zu klein. Wenn ich auf den Schloßthurm steige und hinunterspringe, dann hopse ich über ganz Weimar hin!" — „Hm," machte Dingelstedt, drehte den Bart, wie er pflegte, um seinen Finger und rief: „Das wäre ein Schauspiel für Götter!" Ein Griff nach der Glocke: der Diener trat ein. „Führen Sie diese Dame auf den Schloßthurm. Sie hat das dringende Verlangen, über ganz Weimar zu hopsen. Ich komme nach unten und sehe zu. Doch rathe ich Ihnen, verehrte Künstlerin, nehmen Sie Ihre unschätzbaren Glieder in Acht, hopsen Sie elegant." Natürlich dankte sie für des Dieners Begleitung und stürzte mit giftigen Blicken zur Thüre hinaus. — Auch eine andere Geschichte, die den Titel: „Der Denunziant" erhielt, wurde am Stammtische viel belacht. Dingelstedt erschien im Polizeibureau und sagte, er halte es für seine Pflicht, eine sehr ernste Mitthcilung zu machen. Jemand habe in der auswärtigen Lotterie gespielt und eine namhafte Summe gewonnen. Er nannte die Höhe des Gewinnes und fragte, wie hoch sich die Strafe für das unerlaubte Spielen beliefe. Der Beamte sann nach und sagte, die Strafe betrüge den zehnten Theil vom Gewinn. „Und was erhalt der Denunziant?" — „Den vierten Theil der zu zahlenden Strafe, wenn er Anspruch darauf macht." — „Natürlich thut er das," sagte Dingelstedt, zog seine Brieftasche und legte einige Kassenscheine auf den Tisch. „Hier ist der zehnte Theil vom Gewinn als Strafe, den vierten Theil, die Belohnung des Denunzianten, stecke ich wieder ein. Meine Frau spielte in der österreichischen Lotterie, ich bin der Denunziant. Leben Sie wohl!" Der Witz wäre gut, aber das Rechenexempel ist falsch.
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Redaktion: vn Edmund Zoller. — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallbergcr) in Stuttgart.