Heft 
(1983) 35
Seite
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Der Nil müßte durch ein Nil-Reich laufen,

China würd ich meistbietend verkaufen,

Einen Groß-Admiral würd ich morgen ernennen,

Der müßte die englische Flotte verbrennen,

Auf daß, Gott segne seine Hände,

Das Kattun-Christentum aus der Welt verschwände. (V. 4752)

Die letzten vier Verse stellen im scheinbar schwelgerisch-vermessenen Umgang mit Reichtümern nur eine letzte Distanz her. Denn sie münden in den paradoxen Wunsch ein, Reichtum einzusetzen, um dasKattun- Christentum zu brechen den Wunsch also, die Herrschaft des Geldes mit Hilfe des Geldes aufzuheben und zu vernichten. Erst vor diesem Hintergrund wird die Schlußpointe des Gedichts voll verständlich:

So reich sein, das könnte mich verlocken

Sonst bin ich für Brot in die Suppe brocken. (V. 5354)

So reich sein, das könnte mich verlocken: das ist für sich so doppelsinnig wie das ganze Gedicht. Was sich wie ein naives Bekenntnis zur Macht des Geldes liest, impliziert in Wahrheit eine scharfe zeitkritische Distanzierung. Jedenfalls kommt der SchlußversSonst bin ich für Brot in die Suppe brocken auch von daher nicht ganz unvorbereitet. Gewiß ist er zunächst so zu verstehen, daß das Bewußtsein des real Möglichen und die Erinne­rung an die Bedingungen des Alltags hier den Gedankenflug des Poeten jäh abbrechen. Aber er ist auch als wertende Stellungnahme gemeint: Nach der Desillusion des kleinen wie des großen Reichtums ist das Bekenntnis zum relativen Wert der Armut konsequent. Ungeachtet der antithetischen Struktur erweisen sich beide Schlußzeilen als je andere Gebärden einer zeitkritischen Distanzierung und als Bekenntnis zu einer Position, die den Umgang mit Geld nicht vom Maß des Menschlichen freispricht.

Wer mit Fontane vertraut ist, erkennt das auch sonst für ihn Typische, etwa die scheinbar unentschiedene Haltung, hinter der sich in Wahrheit eine skeptische Abwägung des Für und Wider verbirgt. Er erkennt Mög­lichkeiten, Beobachtungen an dem Gedicht zu anderen Aspekten des Wer­kes in Beziehung zu setzen. Die Schattenseiten einer allgemeinen Geld­herrschaft z. B. hat Fontane auch an anderer Stelle beklagt, etwa in dem bekannten Brief an Georg Friedlaender vom 27. 5. 91, in dem Fontane eine Äußerlichkeitsherrschaft kritisiert, die mit einer gewissen Verrohung Hand in Hand gehe: Die ganze Welt und nicht einmal die Sozialdemo­kratie will er ganz ausnehmen - habe esdurch gesteigerten Besitz und durch gesteigerte Lebensansprüche bis zu einer gewissen Bourgeois­höhe, vielfach von greulichstem Proteenthum begleitet, gebracht, hinter der die Entfaltung des Menschlichen zurückgeblieben sei. Berührungen schließlich ergeben sich auch mit dem epischen Werk. Zeitbewußtheit, der Kontakt zur Wirklichkeitserfahrung des Alltags, die Neigung zum Humor: das sind Elemente, für unser Gedicht offenbar so prägend wie für Fontanes Roman. Ein Unterschied freilich bleibt. Wir haben uns daran gewöhnt, sie als selbstverständliche und integrale Elemente des Gesellschafts- und Zeitromans zu würdigen. Weniger vertraut sind sie im Zusammenhang

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