Deutsche Noman-Bibliothek.
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beim Trinken als beim Essen". Fein und witzig ist das Sprüchwort: „Kinder können den Wein nicht beißen", was so viel sagen will, daß man ein ganzer Mann sein muß, um den Wein vertragen zu können, ohne rasch die Besinnung zu verlieren, ohne beim Wein zum Kinde zu werden.
Ueber betagte Jungfrauen äußert sich unser Sprüchwort höchst despektirlich, indem cs nieint: „Alter Wein und alte Mädchen haben nicht denselben Preis". Der Wein dient auch dazu, um den Neichthum zu verbildlichen. Das Sprüchwort sagt, wenn es andeuten will, daß Jemand mit irdischen Gütern übermäßig gesegnet ist: „Er wäscht sich mit Wein", oder: „Du siehst kein Wasser, wo er Wein sieht", was hinlänglich für die Bedeutung spricht, welche der schlichte Volksverstand dem Safte der Reben zuerkennt. Trunkenen Leuten sagt man in Ungarn nach: „Der Wein hat sie erreicht", oder auch scherzhaft: „Stoße sie, quillt Wein aus ihnen hervor". Ueberhaupt verleugnet das Sprüchwort, das sich des Weins als Bild bedient, in vielen Fällen nicht feinen gesunden und immer treffenden Mutterwitz. Von Leuten in übermüthiger Laune sagt es: „Sie sahen keinen Wein und sind schon trunken". Jemandem, der schwer zu befriedigen ist, ohne für feine Prätensionen auch nur einige Berechtigung zu haben, wirft man vor: „Es wachsen keine Hundsbeeren in deinem Garten und du wühlst im Weine".
Ein witziges Wahrwort ist auch das folgende: „Es ist nicht gut, von Dem einen Rath zu verlangen, der Wein zur Suppe trinkt". Die großen Freunde voller Becher sind überhaupt die Zielscheibe des Witzes. Da heißt es: „Er kann den Wein im Munde nicht leiden", das heißt, er schluckt ihn rasch hinunter. Oder: „Wenn er frisches Wasser hätte, verschmähte er das beste Bier und tränke nur Wein". Auch das deutsche: „Im Becher ersaufen mehr als im Meere" ist wörtlich acceptirt. Wenn man bei Feinschmeckern zu Gaste ist, bemerkt man wohl auch: „Ein guter Wein, den die Zigeuner lieben", was ein Kompliment für den Wirth sein soll. Der Vergleich mit den Zigeunern, deren Schlauheit in Ungarn allgemein anerkannt ist, hat in diesem Falle nichts Abträgliches.
Weitere sinnige Sprüchwörter, die mir gerade einfallen, sind: „Frage nicht nach der Herkunft guten Weines und guter Menschen" — ein Wort, das in goldenen Lettern geschrieben zu werden verdient; „Leicht ist aus dem Weine Essig zu machen, doch wird kein Essig zum Weine"; „Ohne Wein ist die Gastfreundschaft arm"; „Für den Trunkenbold ist der Wein die Muttermilch". Schließlich: „In ein, zwei Gläsern Wein wohnen viele gute Freunde", was so viel sagen will, daß man am Zechtische leicht Freundschaft schließt.
Ferne sei es von mir, behaupten zu wollen, daß ich mit den zitirten Kernsprüchen die lange Reihe ungarischer Sprüchwörter erschöpft hätte, welche dcS Weins gedenken und ihn klug in Beziehungen zum Leben bringen. Aber die mitgetheilte Liste ist jedenfalls hinreichend, um die große Rolle zu illu- striren, welche der Wein im ungarischen Volksleben spielt. Das ungarische Volkslied fingt: „Guter Wein allezeit, bei Tag und Nacht erfreut", und „Wein, Waizen, Frieden" sind, wie eingangs erwähnt, eine Dreieinigkeit, in welcher der Magyar die höchsten irdischen Güter schätzt. Wer einen guten Tropfen liebt und die Weisheit zu würdigen weiß, die im Sprüchworte wohnt, wird ihm aus der „Bibel des Zechers", die er besitzt, keinen Vorwurf machen. Sie ist der spezielle Schatz eines Weinlandcs, dessen wir oft dankbar gedenken, wenn die Becher in der Runde kreisen.
W o s a L k.
Josef II. und der holländische Mirth. Auf einer Reise in den Niederlanden, die der große österreichische Kaiser inkognito und in bürgerlichem Kleide unternommen hatte, übernachtete derselbe einst, nachdem er ein frugales Abendessen aus Speck und Eiern zu sich genommen, in einem nichts weniger als fürstlich eingerichteten Gafthause, wofür er in Summa eine Rechnung von dritthalb Gulden zu begleichen hatte. Als wenige Stunden nach seiner Abreise ein paar Herren seines Gefolges in demselben Gafthause eintrafen und dem Wirthe es plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel, zeigte er sich äußerst niedergedrückt darüber, daß er den Rang seines illuftren Gastes nicht gekannt hätte. „Beruhigen Sie sich, lieber Freund," sagte ihm Jemand aus der kaiserlichen Suite, „Josef II. ist solche kleine Abenteuer gewohnt und wird sich nichts daraus machen." — „Schon recht," schrie der Wirth plötzlich grimmig auf, „aber ich werd's nie vergessen, daß ich einen Kaiser unter meinem Dache hatte und ihn für dritthalb Gülden ziehen ließ!"
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Eheliche Bekenntnisse. „Als wir verlobt waren," seufzte die zärtliche Gattin schmollend, „schlief ich stets mit Deinem letzten Briefe unter meinem Kopfkissen!" — „Auch ich," versetzte der Gatte mit stoischem Gleichmuth, „auch ich bin oftmals über Deinen Briefen eingeschlafen."
Unmöglicher Ersah. Ein englischer Edelmann erhielt von Heinrich VIII. den Auftrag, Franz I., dem König von Frankreich, eine für den Letzteren nicht sehr schmeichelhafte Botschaft zu überbringen. Der Gesandte, welcher den Jähzorn des französischen Herrschers kannte, fürchtete für sein Leben und bat Heinrich, ihn von dem gefährlichen Aufträge zu dispensiren. „Fürchten Sie nichts," sagte Heinrich lächelnd, „wenn der König von Frankreich es wagen sollte, Sie zu tödten, würde ich sämmtlichen in meiner Macht befindlichen Franzosen die Köpfe abschlagen lassen." „Eure Majestät sind sehr gnädig," erwiederte der Brite, „indessen von all' diesen Köpfen würde kein einziger zwischen meine Schultern passen."
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Zeit ist Geld. Ein Schneider besucht einen Kunden, der ihm feit Jahren die Rechnung schuldig geblieben ist, und findet ihn im Bett. „Sind Sie krank?" — „Nein." — „Warum arbeiten Sie denn nicht, um Ihre Schulden zahlen zu können? Zeit ist Geld." — „Richtig, darum zahle ich Sie — mit der Zeit."
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Eefühlstetegramm. Ein Hamburger Bankier übergibt dem Telegraphenbeamten folgende Depesche zur Abfertigung: „Firma Müller in London. Zeige mit Bedauern den heute erfolgten Tod unseres Onkels an. Bitte, umgehend zur Testameutseröffnung zu kommen, da wir Beide aller Wahrscheinlichkeit nach seine Erben sind." — „Das Telegramm enthält zwei Worte zu viel, mein Herr," sagte der Beamte. — „Gut, so streichen Sie ,mit Bedauern'," lautet die kühle Antwort.
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Vorsichtig. Ein junger Commis, der in einer Kolonial- waarenhandlung thätig gewesen war, faß im Einjährig-Frei- willigen-Examen. Der Examinator wollte ihn auf feine Spezialkenntnisse hin prüfen und fragte ihn: „Woher kommt der Kaffee?" — „Diese Frage darf ich leider nicht beantworten, Herr Professor," stammelte erröthend der Jünger Merkurs, „das ist — Geschäftsgeheimnis;."
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Redaktion: I)r. Edmund Zoller. — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallbergcr) in Stuttgart.